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Popkultur

Zeitsprung: Am 14.11.1983 schockiert Michael Jackson mit dem „Thriller“-Video.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.11.1983.

von Timon Menge und Christof Leim

Als das Musikvideo zu Michael Jacksons Thriller am 14. November 1983 in Los Angeles zum ersten Mal öffentlich vorgeführt wird, ahnen die Anwesenden schon die Wirkung, die das 14-minütige Filmchen haben wird. Der „King Of Pop“ und Regisseur John Landis revolutionieren mit der aufwändigen Produktion das Musikfernsehen. Vorher bekommt Jackson aber nochmal kalte Füße, sodass sogar die Bänder versteckt werden müssen.


Hört hier in Thriller rein:

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Die Uhren in London zeigen zwei Uhr morgens, als Michael Jackson den US-amerikanischen Regisseur John Landis zum ersten Mal anruft. Der Hintergrund: Jackson möchte zum Monster werden. Er hat Landis’ Film An American Werewolf In London gesehen und ist schwer begeistert. Die Begeisterung auf der anderen Seite der Leitung hält sich allerdings in Grenzen, es ist ja schließlich mitten in der Nacht. Der Filmemacher bittet Jackson darum, das Thema um ein paar Wochen zu verschieben, bis er wieder an seinem Schreibtisch in Los Angeles sitzt, doch der „King Of Pop“ lässt sich nicht abwimmeln. Die beiden telefonieren vier oder fünf weitere Male, bis es schließlich zu einem Treffen in Kalifornien kommt.



Jackson möchte unbedingt mit Landis arbeiten, denn für seinen Song Thriller spielt er mit einer ganz besonderen Idee: Er möchte die gleiche Transformation von Mensch zu Wolf durchlaufen, wie sie in An American Werewolf In London zu sehen ist. Also stecken er, der Regisseur und Maskenbildner Rick Baker die Köpfe zusammen. Im Gepäck haben die beiden Filmemacher jede Menge Fotos von Monstern, um herauszufinden, in welche Richtung es gehen soll.

Gruselig, aber bitte attraktiv

Schnell merken die zwei, dass Jackson kein großer Freund von Horrorfilmen sein kann. Vieles gruselt ihn zu sehr, zudem lautet die wichtigste Vorgabe: Das Monster darf auf gar keinen Fall unattraktiv sein. Weil sich Jackson nicht nur verwandeln, sondern auch tanzen möchte, entscheiden sich die drei Kreativköpfe für ein zweibeiniges Wesen. Zügig stellt Maskenbilder Baker seine „WereCat“ vor, und Michael stimmt zu. Außerdem möchte der Musiker Zombies dabeihaben. Somit wäre die Monsterfrage geklärt.

Dieser nette junge Herr möchte 1983 zum Monster werden

Ungeklärt bleibt die Finanzierung. Landis und Jackson möchten aus den Vollen schöpfen und entscheiden sich dazu, kein gewöhnliches Musikvideo zu drehen, sondern einen Kurzfilm, damit das Ergebnis auch im Kino laufen kann, nicht nur im Musikfernsehen. Die Budgetkalkulation fällt entsprechend üppig aus und rechnet mit größeren Beträgen als je für ein Musikvideo ausgegeben wurden.

Es wird teuer

Aber: Die Veröffentlichung des Albums Thriller liegt bereits ein Jahr zurück (alles dazu hier), und CBS Records hegt keinerlei Interesse daran, noch einmal so viel Geld in die Platte zu stecken. Jackson fragt Landis dennoch, ob er nicht mit der Plattenfirma sprechen könne. Der Regisseur kommt dem Wunsch nach und ruft Walter Yetnikoff an, den Geschäftsführer des Labels. „Noch nie habe ich derartige Obszönitäten in solch einer Lautstärke gehört“, verrät Landis in einem Gastbeitrag für The Guardian. Als Jackson ihn fragt, was Yetnikoff gesagt habe, antwortet Landis trocken: „Er hat ,Nein’ gesagt.“



Weil die Plattenfirma streikt, springt Jackson selbst ein und finanziert die Produktion. Statt sich auf das knapp 14-minütige Musikfilmchen zu beschränken, planen die drei zusätzlich ein Making-Of-Video von einer Dreiviertelstunde. Das geschieht nicht bloß aus idealistischen Gründen, sondern vor allem aus ökonomischen: Jackson möchte, dass sich das Projekt selbst trägt und plant, das einstündige Material ans Fernsehen verkaufen — zunächst leider erfolglos.

Anfangs kaum Interesse

Die Sendeanstalten halten den Song, der bis dahin auch nicht als Single veröffentlicht worden war, für abgefrühstückt. Selbst MTV lehnt den Film ab, obwohl der Musiksender mit Billie Jean und Beat It, den ersten beiden Clips zum Album, große Erfolge feiern konnte. Als der Pay-TV-Sender Showtime auf der Bildfläche erscheint und anbietet, die Hälfte der Kosten zu übernehmen, zuckt auch MTV und rechtfertigt die hohen Ausgaben damit, dass es sich um einen Film handelt und kein einfaches Musikvideo.



Der Dreh kann beginnen. Landis’ Frau Deborah Nadoolman übernimmt das Kostümdesign und entwirft unter anderem die ikonische rote Lederjacke, die der Ausnahmekünstler im Video trägt. Zuvor hatte sie zum Beispiel die Kleidung für Indiana Jones gestaltet. Auch Jackson holt Vertraute ins Boot, wie den Choreographen Michael Peters, mit dem er bereits für den Beat It-Clip zusammengearbeitet hat.

Freude durch Monstertanz

Gemeinsam erfinden sie Schritte und Bewegungen, die auch heute noch getanzt werden. Der Making-Of-Film, bei dem Jerry Kramer Regie führt, fängt ein, was für ein großartiger Performer Michael Jackson war, was John Landis auch in seinem Guardian-Artikel betont. Die 45-minütige Zugabe offenbart noch etwas, das dem Regisseur erst drei Jahrzehnte später auffällt: Jackson sieht während der Produktion glücklich aus.

Zwei Wochen vor der ersten Aufführung bekommt der „King Of Pop“ kalte Füße. Er ruft seinen Assistenten John Branca an und bittet ihn darum, alle Negative zu vernichten. Der Musiker gehört den Zeugen Jehovas an, und führende Prediger der Kirche warnen ihn davor, dass er exkommuniziert werde, weil Thriller Dämonen verherrliche. Branca unternimmt zum Glück gar nichts und sperrt die Negative zunächst in sein Büro ein. Anschließend versucht er, den Popstar umzustimmen. Das Ergebnis: Zu Beginn des Clips blenden die Filmemacher einen kurzen Text ein, der versichert, dass Jackson nicht an Okkultismus glaubt.

Das Publikum verlangt eine Zugabe

Die Premiere findet also wie geplant am 14. November 1983 im Metro Crest Theater in Los Angeles statt. Das Publikum, darunter viele von Jacksons berühmten Freunden wie Diana Ross, Prince, Eddie Murphy und Warren Beatty, reagiert mit stehenden Ovationen und verlangt sogar eine Zugabe. Am 21. November bekommt dann die Öffentlichkeit das Video zum ersten Mal zu sehen, als Thriller bizarrerweise in einem einzigen Kino in L.A. gezeigt wird. Der Grund: Um für die Oscars in Betracht zu kommen, muss das Filmchen mindestens eine Woche gelaufen sein. Ab dem 2. Dezember erscheint das Werk dann erstmalig auf MTV – und wird schnell zum populärsten Clip in der Geschichte des Senders. Zeitweilig läuft die kurze Version einmal in jeder Stunde.

Entgegen aller Befürchtungen von Walter Yetnikoff und CBS Records schlägt die Produktion also gewaltig ein. Die VHS-Kassette verkauft sich mehr als neun Millionen Mal, und die zahlreichen Ausstrahlungen können die Verkäufe der ohnehin bereits unverschämt erfolgreichen Platte noch massiv steigern. Am 23. Januar 1984 wird der tot geglaubte Song dann als siebte Single der Platte veröffentlicht, die mit mehr als 66 Millionen verkauften Exemplaren zu den meistverkauften Alben aller Zeiten zählt. Bis heute bleibt Thriller eines der ikonischsten Musikvideos aller Zeiten mit festem Platz in der Popkultur und taucht zum Beispiel in South Park und The Big Bang Theory auf.



Zeitsprung: Am 30.11.1982 erscheint das Album der Superlative: “Thriller” von Michael Jackson

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