------------

Popkultur

Die musikalische DNA von Prince

Published on

Es schneite weder am 20. noch am 22. April des Jahres 2016, doch am 21. April ging ein Klagelied durch die Welt: „Sometimes it snows in April / Sometimes I feel so bad, so bad / Sometimes I wish life was never ending / And all good things, they say, never last“. Die Lyrics von Prince‘ Sometimes It Snows in April sollten sich als prophetisch erweisen: An einem Apriltag endete sein Leben. Mit Prince Rogers Nelson starb einer der letzten großen Pop-Stars, eine dieser ebenso charismatischen wie enigmatischen Figuren, wie sie in jeder Generation nur ein paar Mal zu finden sind. „I‘m something you‘ll never understand“, sang er in einem anderen Song – I Would Die 4 U. Besser hätte er es nicht in Worte fassen können.


Hör’ hier in Prince’ musikalische DNA rein:

Zur ganzen Playlist klick auf “Listen”.

In der Figur Prince traf unvergleichliches musikalisches Können auf künstlerische Visionen, die bis heute nichts an ihrer Strahlkraft verloren haben. Er spielte eigenhändig alle 27 Instrumente seines Debütalbums ein – mit nicht einmal 20 Jahren. Natürlich lässt sich eine Erklärung für Prince‘ Interesse an Musik und sein Können finden. Er wuchs in einem musikalischen Elternhaus auf, der Vater war Pianist und Songwriter, die Mutter Jazz-Sängerin. Doch wirklich große Kunst ist nicht allein das Ergebnis von viel Fleiß, sondern auch Ideen, die weit über ein paar clevere Akkordfolgen hinausgehen. Prince hatte diese Ideen. Vor vielen anderen erkannte er das Potenzial von Technologie, angefangen von Drummachines hin zum Internet. Er engagierte sich für die Rechte der schwarzen Bevölkerung der USA und stellte in Frage, was das überhaupt bedeutet: ein Mann zu sein, oder eine Frau zu sein. Prince war lieber etwas, das wir niemals verstehen werden.

Prince war einer der inspirierendsten Pop-Stars seiner Generation, aber auch einer der inspiriertesten. So einzigartig sein unüberschaubares Werk auch ist, so finden sich darin doch deutliche Referenzen auf die Musik seiner eigenen Idole. Dennoch ist seine musikalische DNA eine ganz besondere und selbst, wenn wir sie komplett entschlüsseln könnten – verstehen würden wir ihn danach auch nicht. Das macht ihn doch so großartig. Und jetzt: „Let’s go crazy!“


1. James Brown – (Get Up I Feel Like Being A) Sex Machine Pt. 1 & 2

Funk Machine lautete der Titel des allerersten Prince-Songs, geschrieben im Alter von sieben (!) Jahren auf dem Klavier seines Vaters. Der Knirps wusste offensichtlich schon, wo es einmal hingehen sollte! Nach der Scheidung seiner Eltern heiratete die Mutter neu und mit dem Stiefvater Hayward Baker kam der junge Prince überhaupt nicht gut klar. Immerhin jedoch: Baker nahm das musikbegeistere Kind auf sein erstes Konzert mit. Wer da spielte? Natürlich die Sex Machine überhaupt, James Brown.

Brown brachte seinem Schüler im Geiste nicht nur den Funk bei, sondern auch den passenden Hüftschwung gleich dazu. Er zeigte dem aufstrebenden Musiker ebenso, was es heißt, eine Show zu schmeißen. Das sollte sich an Brown rächen: Als er 1983 erst Michael Jackson und dann Prince zu sich auf die Bühne holte, stahl Prince dem Soul Brother No. 1 ebenso wie dem King of Pop die Show. Nach ein paar funkigen Akkorden gibt er die Gitarre weg, reißt sich das Oberteil vom Leib und tänzelt auf so nonchalante Weise über die Bühne, dass selbst Brown dagegen wie ein Chorknabe aussieht.


2. Michael Jackson – Don’t Stop ‘Til You Get Enough

À propos Michael Jackson: Zum König des Pops pflegte der Prinz aus dem Paisley Park ein kompliziertes Verhältnis. Um nicht zu sagen, dass sich die beiden spinnefeind waren! Dabei gehörten sie doch derselben popkulturellen Revolution an. Ihre Videos zu Little Red Corvette und Billie Jean waren die ersten von schwarzen Künstlern, die in den achtziger Jahren von MTV auf Heavy Rotation gespielt wurden. Kaum zu glauben, aber noch zwanzig Jahre nach Ende der Segregation in den USA war Musikfernsehen noch immer eine fast komplett weiße Angelegenheit!

Das hielt Prince und Jackson aber nicht davon ab, einander anzugiften. Besser gesagt: Es war Prince, der Jackson auf dem Kieker hatte. Die einseitige Fehde lief über Jahrzehnte. Noch 2006 machte sich Prince einen Spaß draus, Jackson eins reinzuwürgen – beinahe buchstäblich! Als der Thriller-Sänger ein Konzert von Prince in Las Vegas besuchte, ging der mit seinem Bass auf den Sitz Jacksons zu und spielte direkt vor seinem Gesicht harten Slap-Bass. Solcherlei Anekdoten gibt es dutzende, sogar bei einem Tischtennisspiel soll Prince ihn gegängelt haben, indem er den Ball ständig auf den Schritt des Kontrahenten schlug… Doch immerhin: Nach dem Tod Jacksons im Jahr nahm er kommentarlos zwei von dessen Stücke – Shake Your Body und Don’t Stop ‘Til You Get Enough – in seine Live-Sets auf. Eine kleine, aber wichtige Geste.


3. Funkadelic – Maggot Brain

So leidenschaftlich Prince auch hassen konnte, so glühend konnte er lieben. George Clinton gehört neben James Brown und Sly Stone zu einem der ganz großen Funk-Pioniere. Mit dem Parliament-Funkadelic-Kollektiv definierte er einen neuen, psychedelischen Funk-Sound, der vor kosmischen Vibrationen nur so strotzte. Dreckig und transzendental zugleich! Das war selbstverständlich voll nach dem Geschmack von Prince, der sogar einige Soloalben des genialen Musikers auf seinem Paisley Park-Label veröffentlichte und mit ihm gemeinsam das Stück We Can Fuck schrieb. Äh, We Can Funk. Je nach Version hat der Song einen anderen Titel…

Prince hat im Laufe seiner Karriere immer wieder auf den kosmischen Überbringer der funkigen Botschaft verwiesen und war ihm auch persönlich sehr zugeneigt, wie ein handschriftlicher Brief beweist, der im Archiv von Prince gefunden wurde. „Mann, ich bin so froh, an deiner Seite zu sein“, schreibt er. „Muss wohl Mondstaub durch die Gegend gewirbelt sein, als du geboren wurdest, denn verdammt soll ich sein, wenn du von diesem Planeten Erde bist!“ Poetische, zärtliche Worte für einen der ganz großen Helden der Funk-Musik.


4. Little Richard – Tutti Frutti

Das flamboyante Auftreten Clintons ist sein Markenzeichen. Regenbogenfarbene Dreadlocks, aufwändige Kostüme – der Mann lässt nichts aus. Auch Prince war als Gestaltenwandler bekannt, bekanntlich stand ihm – neben der Farbe Lila – sogar das Adamskostüm ausgesprochen gut. Seine – wortwörtlich gesprochen – Offenheit sorgte für so manche Controversy, wie eines seiner Alben nicht ohne Grund betitelt ist. „You don‘t need no money, you don‘t need no clothes / The second coming, anything goes / Sexuality is all you‘’ll ever need / Sexuality, let your body be free“, heißt es im Song Sexuality. Ein programmatischer Text!

Mehr noch als andere vor ihm wie etwa David Bowie stellte Prince herkömmliche Vorstellungen von Männlichkeit auf den Kopf. Er hatte dabei allerdings Vorbilder. Den Hüftschwung lieh er sich von James Brown, das Make-Up inklusive aufgemaltem Schnauzer aber von Little Richard. Der 1932 geborene Tutti Frutti-Sänger musste sich zeitlebens immer wieder Diskriminierung ausgesetzt sehen und umschiffte Fragen nach seiner Sexualität stets. Als „omnisexuell“ bezeichnete er sich beispielsweise. Was das wohl heißt? Von Prince zumindest sind vor allem Beziehungen zu Frauen bekannt und zum Ende seines Lebens bekannte er sich als zölibatär. Doch für Jahrzehnte stand er an der Speerspitze einer Revolution, die immer auch eine sexuelle war und die Normen durcheinander wirbelte.


5. Jimi Hendrix – Red House

Somit steht Prince ebenfalls in der Tradition der Woodstock-Generation, deren Verlangen nach freier Liebe auf unzähligen Platten festgehalten wurde. Kein Wunder, dass er auch von dort seine musikalische Inspiration bezog! Als er 2004 für die Tribute-Compilation Power of Soul: A Tribute to Jimi Hendrix ein Cover von dessen Song Red House – der natürlich bei Prince Purple House hieß – beisteuerte, kam endlich zusammen, was zusammen gehörte. Denn Hendrix war ein ähnlicher Visionär wie später das Kid aus dem Paisley Park.

Alben wie Are You Experienced oder Electric Ladyland nutzten die neue Studiotechnik der späten sechziger Jahre als Instrument, wie auch Prince in den Folgejahren Drummachines und andere technologische Neuerungen in seine Musik einbringen sollte, lange bevor sie zum Standard wurden. Ob der Einfluss sich auch auf Prince‘ Gitarrenspiel erstreckte? Nein! „Das wird nur gesagt, weil er schwarz ist. Das ist dann schon alles, was wir gemein haben“, sagte ein erboster Prince im Jahr 1985 dem Rolling Stone-Magazin. „Er spielte ganz anders als ich. Wenn überhaupt dann ist in meiner Musik eher ein Santana-Einfluss auszumachen. Hendrix spielte bluesiger, Santana hübscher. Du kannst nicht einfach zwei Menschen miteinander vergleichen – es sei denn, der eine klaut beim anderen.“ Amen!


6. Miles Davis – Blue in Green

Dennoch: Zumindest den Innovationsgeist teilten sich Hendrix und Prince. Auch ein anderer Prince, nämlich der Prince of Darkness, Miles Davis, zeigte sich zu seinen Hochzeiten aufgeschlossener als viele andere. Als Davis auf Synthesizer umstieg, brach er damit in der Jazz-Welt ein Tabu. Seine Starrhalsigkeit war berüchtigt, doch Prince fand genau daran seinen Gefallen. Beide verehrten einander und nahmen sogar gemeinsame Stücke auf. Oder zumindest sind sie auf denselben Aufnahmen zu hören, denn gemeinsam im Studio standen sie nie. Dafür aber auf der Bühne.

Der Prince-Saxofonist Eric Leeds erinnerte sich an denkwürdige Momente: „Wir spielten ein Konzert im Paisley Park. Das war die Silvesternacht 1987“, erzählte er dem Magazin Uncut. „Miles war ein Gast und kam auf die Bühne, um bei einem Song mitzuspielen. Soweit mir bekannt, war dies das einzige Mal, dass die beiden gemeinsam spielten. Sie freundeten sich aber an und blieben in Kontakt.“ Da wären wir gerne eine Fliege an der Wand gewesen! Zumindest können wir noch darauf hoffen, dass die Aufnahmen eines Tages noch aus dem Tresor des Paisley Parks heraus ihren Weg in die Öffentlichkeit finden…


7. Madonna – Love Song

Während Miles Davis zwar ungemein erfolgreich war, so blieben ihm doch große kommerzielle Erfolge verwehrt. Prince indes schaffte es, innovative und abenteuerliche Musik zu machen und dennoch die Charts zu stürmen. Nicht nur mit seinen Texten und seinem Auftreten schließlich brach er mit den Konventionen, auch mit seiner Musik. Wie ein guter Pop-Song zu funktionieren hatte, war ihm aber genauso bewusst. So verwundert es auch kaum, dass er selbst in der Nähe von Madonna zu glänzen wusste. Für ihr Album Like a Prayer spielte er ein paar Gitarrenparts ein.

Gut, das mag vielleicht auch daran gelegen haben, dass die beiden mehr als nur ein Studio teilten – für eine kurze Zeit waren sie liiert. Doch auch diese Beziehung zerbrach und es wurde, nun ja, ziemlich hässlich. Welch Ironie des Schicksals, hatte Prince doch ausgerechnet beim Love Song seine Finger im Spiel! 2015 aber sollen sie sich doch zusammengerauft haben. Bei einem der legendären Privatkonzerte im Paisley Park spielten sie angeblich sechs gemeinsame Songs, bevor Prince der Kollegin etwas ins Ohr flüsterte und diese sich dann von der Bühne verabschiedete. Was da wohl auf und vielleicht sogar hinter der Bühne gesagt wurde…?


8. Ice Cube – What Can I Do?

Nicht nur durch seine Kollaborationen mit Madonna bewies Prince, dass er den Sounds der Zeit stets aufgeschlossen war. Auch mit Hip Hop experimentierte er viel und das, obwohl er selbst als ein oft gesampelter Künstler im Hip Hop-Kanon verewigt wurde. „Hat jemand meine Kindheit gesehen?“, twitterte Ice Cube bestürzt, als die Nachricht von Prince‘ Tod die Runde machte. Prince lieferte ihm viel Inspiration, aber auch mehr als das. 1996 kam ihm die Ehre zuteil, vom Kid selbst gesampelt zu werden.

Der Track Mr. Happy auf Prince‘ Album Emancipation spielt mit einer Line aus dem Ice Cube-Track What Can I Do?: „bought a house next to Prince“. Ein augenzwinkernder Verweis auf den Fan, der selbst zum Vorbild wurde. Die beiden kannten sich nämlich persönlich: 1994 hatte Ice Cube beim Dreh für das Video zum Prince-Song Love Sign Regie geführt. „Er machte sonst vor allem Performance-Videos, weshalb es echt cool war, ihn zum Schauspielern zu bringen“, erinnerte sich Ice Cube. „Wir drehten also dieses Video, in dem er einen DJ darstellte und dann kam eine Auftragsmörderin, um ihn umzubringen. Sie verliebte sich aber bei seinem Anblick sofort in ihn und sie hauten gemeinsam ab um zu machen, was Prince halt so macht.“ Zugegeben, oscarreif klingt das nicht wirklich…


9. Sheila E – The Glamorous Life

Aber sei’s drum, Prince‘ Hauptmedium war eben die Musik. Die ersann er oftmals ganz allein und nicht selten legte er im Studio Hand an, wenn es gar nicht notwendig war. Selbst mit großen Plattenfirmen im Rücken, die ihm Geld genug für eine Bande von Session-Musikern vorstreckten, erledigte Prince den Job meistens alleine. Sicher ist sicher! Doch nicht nur seine Band The Revolution, sondern auch andere Figuren aus seinem Umfeld genossen sein vollstes Vertrauen. Seine engste Begleiterin war wohl Sheila E, die Ausnahmeschlagzeugerin, die gerne als die Queen of Percussion bezeichnet wird.

Die beiden kannten sich schon, bevor Sheila E mit The Glamorous Life eine überaus erfolgreiche Solo-Karriere startete. 1978 soll Prince sie nach einem Konzert Backstage abgepasst haben. Er und Bassist Andre Cymone hätten „sich gerade darüber gestritten, wer von uns als erster dein Ehemann wird“, soll er ihr angeblich gesagt haben! Es kam nie dazu, obwohl er ihr 1987 sogar tatsächlich einen Antrag machte. 1989 trennten sich ihre Wege in professioneller Hinsicht, bevor sie ab 2008 seiner Band hin und wieder den richtigen richtigen Groove verpasste. Ihre musikalische Symbiose war wie keine andere, ihre gegenseitige Liebe rostete über all die Jahre ebenfalls nicht.


10. Sinéad O’Connor – Nothing Compares 2 U

Wie viel Prince der Musikwelt geschenkt hat, ist kaum auszumessen. Funk, Soul, R’n’B. Pop, Hip Hop, sogar bis hin in die weiten Gefilde elektronischer Tanzmusik von House bis Techno: Er hat überall seine Spuren hinterlassen. Songs wie Purple Rain, Sometimes It Snows In April, Kiss, If I Was Your Girlfriend und so viele andere bleiben auf immer unvergesslich. Manche seiner größten Hits allerdings wurden von anderen bekannt gemacht. Wusstet ihr beispielsweise, dass Prince Manic Monday von den Bangles geschrieben hat? Verrückt, oder? Und da wäre natürlich noch ein ganz besonderer Song mit einem ganz besonderen Video, für den Prince die Vorlage lieferte…

Ursprünglich hatte Prince das Stück Nothing Compares 2 U für sein Nebenprojekt The Family geschrieben, bekannt machte ihn aber die Irin Sinéad O‘Connor mit ihrer etwas aufgepeppten Version der Power-Ballade, die in der Originalversion mit kosmischen Synthesizer-Sounds und einem irren Saxofon-Solo aufwartet. Prince war überhaupt nicht glücklich mit dem Erfolg des Stücks und konnte auch O‘Connor nicht leiden. „Nach Nothing Compares 2 U zitierte er mich zu sich nach Hause“, erinnerte sich die Sängerin. „Ich hatte das Stück ohne ihn gemacht. Ich hatte ihn nie getroffen. Er zitierte mich also zu sich nach Hause – und es ist echt dämlich, das einer irischen Frau anzutun – und teilte mir mit, dass er meinen Tonfall in Interviews nicht mögen würde. Also habe ich ihm gesagt, dass er mich mal kreuzweise kann!“ Ja, ja: Einfach war er nicht, dieser Prince. Aber einzigartig.


Das könnte dir auch gefallen:

Prince: Mit ihm wurde der Regen purpur

5 Wahrheiten über Prince

Die musikalische DNA von James Brown

Don't Miss