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Popkultur

Die musikalische DNA von Prince

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Es schneite weder am 20. noch am 22. April des Jahres 2016, doch am 21. April ging ein Klagelied durch die Welt: „Sometimes it snows in April / Sometimes I feel so bad, so bad / Sometimes I wish life was never ending / And all good things, they say, never last“. Die Lyrics von Prince‘ Sometimes It Snows in April sollten sich als prophetisch erweisen: An einem Apriltag endete sein Leben. Mit Prince Rogers Nelson starb einer der letzten großen Pop-Stars, eine dieser ebenso charismatischen wie enigmatischen Figuren, wie sie in jeder Generation nur ein paar Mal zu finden sind. „I‘m something you‘ll never understand“, sang er in einem anderen Song – I Would Die 4 U. Besser hätte er es nicht in Worte fassen können.


Hör’ hier in Prince’ musikalische DNA rein:

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In der Figur Prince traf unvergleichliches musikalisches Können auf künstlerische Visionen, die bis heute nichts an ihrer Strahlkraft verloren haben. Er spielte eigenhändig alle 27 Instrumente seines Debütalbums ein – mit nicht einmal 20 Jahren. Natürlich lässt sich eine Erklärung für Prince‘ Interesse an Musik und sein Können finden. Er wuchs in einem musikalischen Elternhaus auf, der Vater war Pianist und Songwriter, die Mutter Jazz-Sängerin. Doch wirklich große Kunst ist nicht allein das Ergebnis von viel Fleiß, sondern auch Ideen, die weit über ein paar clevere Akkordfolgen hinausgehen. Prince hatte diese Ideen. Vor vielen anderen erkannte er das Potenzial von Technologie, angefangen von Drummachines hin zum Internet. Er engagierte sich für die Rechte der schwarzen Bevölkerung der USA und stellte in Frage, was das überhaupt bedeutet: ein Mann zu sein, oder eine Frau zu sein. Prince war lieber etwas, das wir niemals verstehen werden.

Prince war einer der inspirierendsten Pop-Stars seiner Generation, aber auch einer der inspiriertesten. So einzigartig sein unüberschaubares Werk auch ist, so finden sich darin doch deutliche Referenzen auf die Musik seiner eigenen Idole. Dennoch ist seine musikalische DNA eine ganz besondere und selbst, wenn wir sie komplett entschlüsseln könnten – verstehen würden wir ihn danach auch nicht. Das macht ihn doch so großartig. Und jetzt: „Let’s go crazy!“


1. James Brown – (Get Up I Feel Like Being A) Sex Machine Pt. 1 & 2

Funk Machine lautete der Titel des allerersten Prince-Songs, geschrieben im Alter von sieben (!) Jahren auf dem Klavier seines Vaters. Der Knirps wusste offensichtlich schon, wo es einmal hingehen sollte! Nach der Scheidung seiner Eltern heiratete die Mutter neu und mit dem Stiefvater Hayward Baker kam der junge Prince überhaupt nicht gut klar. Immerhin jedoch: Baker nahm das musikbegeistere Kind auf sein erstes Konzert mit. Wer da spielte? Natürlich die Sex Machine überhaupt, James Brown.

Brown brachte seinem Schüler im Geiste nicht nur den Funk bei, sondern auch den passenden Hüftschwung gleich dazu. Er zeigte dem aufstrebenden Musiker ebenso, was es heißt, eine Show zu schmeißen. Das sollte sich an Brown rächen: Als er 1983 erst Michael Jackson und dann Prince zu sich auf die Bühne holte, stahl Prince dem Soul Brother No. 1 ebenso wie dem King of Pop die Show. Nach ein paar funkigen Akkorden gibt er die Gitarre weg, reißt sich das Oberteil vom Leib und tänzelt auf so nonchalante Weise über die Bühne, dass selbst Brown dagegen wie ein Chorknabe aussieht.


2. Michael Jackson – Don’t Stop ‘Til You Get Enough

À propos Michael Jackson: Zum König des Pops pflegte der Prinz aus dem Paisley Park ein kompliziertes Verhältnis. Um nicht zu sagen, dass sich die beiden spinnefeind waren! Dabei gehörten sie doch derselben popkulturellen Revolution an. Ihre Videos zu Little Red Corvette und Billie Jean waren die ersten von schwarzen Künstlern, die in den achtziger Jahren von MTV auf Heavy Rotation gespielt wurden. Kaum zu glauben, aber noch zwanzig Jahre nach Ende der Segregation in den USA war Musikfernsehen noch immer eine fast komplett weiße Angelegenheit!

Das hielt Prince und Jackson aber nicht davon ab, einander anzugiften. Besser gesagt: Es war Prince, der Jackson auf dem Kieker hatte. Die einseitige Fehde lief über Jahrzehnte. Noch 2006 machte sich Prince einen Spaß draus, Jackson eins reinzuwürgen – beinahe buchstäblich! Als der Thriller-Sänger ein Konzert von Prince in Las Vegas besuchte, ging der mit seinem Bass auf den Sitz Jacksons zu und spielte direkt vor seinem Gesicht harten Slap-Bass. Solcherlei Anekdoten gibt es dutzende, sogar bei einem Tischtennisspiel soll Prince ihn gegängelt haben, indem er den Ball ständig auf den Schritt des Kontrahenten schlug… Doch immerhin: Nach dem Tod Jacksons im Jahr nahm er kommentarlos zwei von dessen Stücke – Shake Your Body und Don’t Stop ‘Til You Get Enough – in seine Live-Sets auf. Eine kleine, aber wichtige Geste.


3. Funkadelic – Maggot Brain

So leidenschaftlich Prince auch hassen konnte, so glühend konnte er lieben. George Clinton gehört neben James Brown und Sly Stone zu einem der ganz großen Funk-Pioniere. Mit dem Parliament-Funkadelic-Kollektiv definierte er einen neuen, psychedelischen Funk-Sound, der vor kosmischen Vibrationen nur so strotzte. Dreckig und transzendental zugleich! Das war selbstverständlich voll nach dem Geschmack von Prince, der sogar einige Soloalben des genialen Musikers auf seinem Paisley Park-Label veröffentlichte und mit ihm gemeinsam das Stück We Can Fuck schrieb. Äh, We Can Funk. Je nach Version hat der Song einen anderen Titel…

Prince hat im Laufe seiner Karriere immer wieder auf den kosmischen Überbringer der funkigen Botschaft verwiesen und war ihm auch persönlich sehr zugeneigt, wie ein handschriftlicher Brief beweist, der im Archiv von Prince gefunden wurde. „Mann, ich bin so froh, an deiner Seite zu sein“, schreibt er. „Muss wohl Mondstaub durch die Gegend gewirbelt sein, als du geboren wurdest, denn verdammt soll ich sein, wenn du von diesem Planeten Erde bist!“ Poetische, zärtliche Worte für einen der ganz großen Helden der Funk-Musik.


4. Little Richard – Tutti Frutti

Das flamboyante Auftreten Clintons ist sein Markenzeichen. Regenbogenfarbene Dreadlocks, aufwändige Kostüme – der Mann lässt nichts aus. Auch Prince war als Gestaltenwandler bekannt, bekanntlich stand ihm – neben der Farbe Lila – sogar das Adamskostüm ausgesprochen gut. Seine – wortwörtlich gesprochen – Offenheit sorgte für so manche Controversy, wie eines seiner Alben nicht ohne Grund betitelt ist. „You don‘t need no money, you don‘t need no clothes / The second coming, anything goes / Sexuality is all you‘’ll ever need / Sexuality, let your body be free“, heißt es im Song Sexuality. Ein programmatischer Text!

Mehr noch als andere vor ihm wie etwa David Bowie stellte Prince herkömmliche Vorstellungen von Männlichkeit auf den Kopf. Er hatte dabei allerdings Vorbilder. Den Hüftschwung lieh er sich von James Brown, das Make-Up inklusive aufgemaltem Schnauzer aber von Little Richard. Der 1932 geborene Tutti Frutti-Sänger musste sich zeitlebens immer wieder Diskriminierung ausgesetzt sehen und umschiffte Fragen nach seiner Sexualität stets. Als „omnisexuell“ bezeichnete er sich beispielsweise. Was das wohl heißt? Von Prince zumindest sind vor allem Beziehungen zu Frauen bekannt und zum Ende seines Lebens bekannte er sich als zölibatär. Doch für Jahrzehnte stand er an der Speerspitze einer Revolution, die immer auch eine sexuelle war und die Normen durcheinander wirbelte.


5. Jimi Hendrix – Red House

Somit steht Prince ebenfalls in der Tradition der Woodstock-Generation, deren Verlangen nach freier Liebe auf unzähligen Platten festgehalten wurde. Kein Wunder, dass er auch von dort seine musikalische Inspiration bezog! Als er 2004 für die Tribute-Compilation Power of Soul: A Tribute to Jimi Hendrix ein Cover von dessen Song Red House – der natürlich bei Prince Purple House hieß – beisteuerte, kam endlich zusammen, was zusammen gehörte. Denn Hendrix war ein ähnlicher Visionär wie später das Kid aus dem Paisley Park.

Alben wie Are You Experienced oder Electric Ladyland nutzten die neue Studiotechnik der späten sechziger Jahre als Instrument, wie auch Prince in den Folgejahren Drummachines und andere technologische Neuerungen in seine Musik einbringen sollte, lange bevor sie zum Standard wurden. Ob der Einfluss sich auch auf Prince‘ Gitarrenspiel erstreckte? Nein! „Das wird nur gesagt, weil er schwarz ist. Das ist dann schon alles, was wir gemein haben“, sagte ein erboster Prince im Jahr 1985 dem Rolling Stone-Magazin. „Er spielte ganz anders als ich. Wenn überhaupt dann ist in meiner Musik eher ein Santana-Einfluss auszumachen. Hendrix spielte bluesiger, Santana hübscher. Du kannst nicht einfach zwei Menschen miteinander vergleichen – es sei denn, der eine klaut beim anderen.“ Amen!


6. Miles Davis – Blue in Green

Dennoch: Zumindest den Innovationsgeist teilten sich Hendrix und Prince. Auch ein anderer Prince, nämlich der Prince of Darkness, Miles Davis, zeigte sich zu seinen Hochzeiten aufgeschlossener als viele andere. Als Davis auf Synthesizer umstieg, brach er damit in der Jazz-Welt ein Tabu. Seine Starrhalsigkeit war berüchtigt, doch Prince fand genau daran seinen Gefallen. Beide verehrten einander und nahmen sogar gemeinsame Stücke auf. Oder zumindest sind sie auf denselben Aufnahmen zu hören, denn gemeinsam im Studio standen sie nie. Dafür aber auf der Bühne.

Der Prince-Saxofonist Eric Leeds erinnerte sich an denkwürdige Momente: „Wir spielten ein Konzert im Paisley Park. Das war die Silvesternacht 1987“, erzählte er dem Magazin Uncut. „Miles war ein Gast und kam auf die Bühne, um bei einem Song mitzuspielen. Soweit mir bekannt, war dies das einzige Mal, dass die beiden gemeinsam spielten. Sie freundeten sich aber an und blieben in Kontakt.“ Da wären wir gerne eine Fliege an der Wand gewesen! Zumindest können wir noch darauf hoffen, dass die Aufnahmen eines Tages noch aus dem Tresor des Paisley Parks heraus ihren Weg in die Öffentlichkeit finden…


7. Madonna – Love Song

Während Miles Davis zwar ungemein erfolgreich war, so blieben ihm doch große kommerzielle Erfolge verwehrt. Prince indes schaffte es, innovative und abenteuerliche Musik zu machen und dennoch die Charts zu stürmen. Nicht nur mit seinen Texten und seinem Auftreten schließlich brach er mit den Konventionen, auch mit seiner Musik. Wie ein guter Pop-Song zu funktionieren hatte, war ihm aber genauso bewusst. So verwundert es auch kaum, dass er selbst in der Nähe von Madonna zu glänzen wusste. Für ihr Album Like a Prayer spielte er ein paar Gitarrenparts ein.

Gut, das mag vielleicht auch daran gelegen haben, dass die beiden mehr als nur ein Studio teilten – für eine kurze Zeit waren sie liiert. Doch auch diese Beziehung zerbrach und es wurde, nun ja, ziemlich hässlich. Welch Ironie des Schicksals, hatte Prince doch ausgerechnet beim Love Song seine Finger im Spiel! 2015 aber sollen sie sich doch zusammengerauft haben. Bei einem der legendären Privatkonzerte im Paisley Park spielten sie angeblich sechs gemeinsame Songs, bevor Prince der Kollegin etwas ins Ohr flüsterte und diese sich dann von der Bühne verabschiedete. Was da wohl auf und vielleicht sogar hinter der Bühne gesagt wurde…?


8. Ice Cube – What Can I Do?

Nicht nur durch seine Kollaborationen mit Madonna bewies Prince, dass er den Sounds der Zeit stets aufgeschlossen war. Auch mit Hip Hop experimentierte er viel und das, obwohl er selbst als ein oft gesampelter Künstler im Hip Hop-Kanon verewigt wurde. „Hat jemand meine Kindheit gesehen?“, twitterte Ice Cube bestürzt, als die Nachricht von Prince‘ Tod die Runde machte. Prince lieferte ihm viel Inspiration, aber auch mehr als das. 1996 kam ihm die Ehre zuteil, vom Kid selbst gesampelt zu werden.

Der Track Mr. Happy auf Prince‘ Album Emancipation spielt mit einer Line aus dem Ice Cube-Track What Can I Do?: „bought a house next to Prince“. Ein augenzwinkernder Verweis auf den Fan, der selbst zum Vorbild wurde. Die beiden kannten sich nämlich persönlich: 1994 hatte Ice Cube beim Dreh für das Video zum Prince-Song Love Sign Regie geführt. „Er machte sonst vor allem Performance-Videos, weshalb es echt cool war, ihn zum Schauspielern zu bringen“, erinnerte sich Ice Cube. „Wir drehten also dieses Video, in dem er einen DJ darstellte und dann kam eine Auftragsmörderin, um ihn umzubringen. Sie verliebte sich aber bei seinem Anblick sofort in ihn und sie hauten gemeinsam ab um zu machen, was Prince halt so macht.“ Zugegeben, oscarreif klingt das nicht wirklich…


9. Sheila E – The Glamorous Life

Aber sei’s drum, Prince‘ Hauptmedium war eben die Musik. Die ersann er oftmals ganz allein und nicht selten legte er im Studio Hand an, wenn es gar nicht notwendig war. Selbst mit großen Plattenfirmen im Rücken, die ihm Geld genug für eine Bande von Session-Musikern vorstreckten, erledigte Prince den Job meistens alleine. Sicher ist sicher! Doch nicht nur seine Band The Revolution, sondern auch andere Figuren aus seinem Umfeld genossen sein vollstes Vertrauen. Seine engste Begleiterin war wohl Sheila E, die Ausnahmeschlagzeugerin, die gerne als die Queen of Percussion bezeichnet wird.

Die beiden kannten sich schon, bevor Sheila E mit The Glamorous Life eine überaus erfolgreiche Solo-Karriere startete. 1978 soll Prince sie nach einem Konzert Backstage abgepasst haben. Er und Bassist Andre Cymone hätten „sich gerade darüber gestritten, wer von uns als erster dein Ehemann wird“, soll er ihr angeblich gesagt haben! Es kam nie dazu, obwohl er ihr 1987 sogar tatsächlich einen Antrag machte. 1989 trennten sich ihre Wege in professioneller Hinsicht, bevor sie ab 2008 seiner Band hin und wieder den richtigen richtigen Groove verpasste. Ihre musikalische Symbiose war wie keine andere, ihre gegenseitige Liebe rostete über all die Jahre ebenfalls nicht.


10. Sinéad O’Connor – Nothing Compares 2 U

Wie viel Prince der Musikwelt geschenkt hat, ist kaum auszumessen. Funk, Soul, R’n’B. Pop, Hip Hop, sogar bis hin in die weiten Gefilde elektronischer Tanzmusik von House bis Techno: Er hat überall seine Spuren hinterlassen. Songs wie Purple Rain, Sometimes It Snows In April, Kiss, If I Was Your Girlfriend und so viele andere bleiben auf immer unvergesslich. Manche seiner größten Hits allerdings wurden von anderen bekannt gemacht. Wusstet ihr beispielsweise, dass Prince Manic Monday von den Bangles geschrieben hat? Verrückt, oder? Und da wäre natürlich noch ein ganz besonderer Song mit einem ganz besonderen Video, für den Prince die Vorlage lieferte…

Ursprünglich hatte Prince das Stück Nothing Compares 2 U für sein Nebenprojekt The Family geschrieben, bekannt machte ihn aber die Irin Sinéad O‘Connor mit ihrer etwas aufgepeppten Version der Power-Ballade, die in der Originalversion mit kosmischen Synthesizer-Sounds und einem irren Saxofon-Solo aufwartet. Prince war überhaupt nicht glücklich mit dem Erfolg des Stücks und konnte auch O‘Connor nicht leiden. „Nach Nothing Compares 2 U zitierte er mich zu sich nach Hause“, erinnerte sich die Sängerin. „Ich hatte das Stück ohne ihn gemacht. Ich hatte ihn nie getroffen. Er zitierte mich also zu sich nach Hause – und es ist echt dämlich, das einer irischen Frau anzutun – und teilte mir mit, dass er meinen Tonfall in Interviews nicht mögen würde. Also habe ich ihm gesagt, dass er mich mal kreuzweise kann!“ Ja, ja: Einfach war er nicht, dieser Prince. Aber einzigartig.


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Popkultur

Vor 55 Jahren feierten Simon & Garfunkel mit „Mrs. Robinson“ eine Nummer eins

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Simon & Garfunkel HEADER
Foto: Hulton Archive/Getty Images

Am 1. Juni 1968 landeten Simon and Garfunkel mit Mrs. Robinson auf Platz 1 der US-amerikanischen Billboard Hot 100 Charts — und blieben dort drei Wochen lang. Wir werfen einen Blick auf die Entstehung des Songs.

von Markus Brandstetter

Es ist einer der größten Songs der Popgeschichte — und entstand zu einem guten Teil sozusagen aus Verlegenheit. Geschrieben hatte Paul Simon den Song eigens für den 1967 erschienenen Film The Graduate. Ganz einfach war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Mike Nichols nicht — dieser hatte nämlich zwei andere Songvorschläge abgelehnt.

Zähe Soundtrack-Zusammenarbeit

Simon hatte ihm zwei Stücke namens Punky’s Dilemma und Overs vorgespielt, so richtig enthusiastisch stimmen Nichols die Songs allerdings nicht. Der Sänger und Songschreiber hatte noch etwas in der Tasche: einen Entwurf eines Stücks namens Mrs. Roosevelt (so der Arbeitstitel des Stücks, der sich ursprünglich auf die Politaktivisten und Ehefrau des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, Eleanor Roosevelt bezog. Dass der Song dann auf Mrs. Robinson umgetauft wurde, macht Sinn — schließlich heißt so der weibliche Hauptcharakter des Films. Die Geschichten, wie es dazu kam, variieren indes ein wenig.

„Paul hatte an dem Song gearbeitet, der jetzt Mrs. Robinson heißt, aber es gab keinen Namen darin und wir füllten ihn einfach mit irgendeinem dreisilbigen Namen. Und wegen des Charakters in dem Film fingen wir einfach an, den Namen Mrs. Robinson zu verwenden, weil er passte […]“, erinnerte sich Art Garfunkel einmal. Eines Tages saßen wir mit Mike zusammen und sprachen über Ideen für einen weiteren Song. Und ich sagte: Wie wäre es mit Mrs. Robinson? Mike schoss auf die Beine. Ihr habt einen Song, der Mrs. Robinson heißt, und ihr habt ihn mir noch nicht einmal gezeigt? Also erklärten wir ihm den Arbeitstitel und sangen ihn ihm vor. Und dann hat Mike ihn für den Film als ‘Mrs. Robinson’ verewigt.“

Paul Simon: „Ich wusste nicht einmal, was ich spielte“

Paul Simon, der am Anfang von der Auftragsarbeit nicht wirklich begeistert war, erinnert sich folgendermaßen: „Mike Nichols rief an und fragte uns. Er sagte, er habe ein Buch und wolle einen Film mit dem Titel The Graduate drehen… Er überzeugte uns, die Musik zu machen. Die Musik sollte größtenteils Originalmusik sein, aber es kam vor, dass wir, um eine Szene zu füllen, ein Musikstück nahmen und es dort einsetzten, nur um zu hören, wie die Musik klingen würde.“ Die Entstehung des Songs sei sehr spontan und intuitiv gewesen, erzählt er: „Mrs. Robinson wurde an Ort und Stelle erfunden”, fährt er fort. “Ursprünglich sollte das eine Verfolgungsszene sein, und sie wollten Gitarrenmusik. Ich spielte… Ich wusste nicht einmal, was ich spielte, ich riffte einfach auf der Gitarre.” Auf dem Soundtrack des Films finden sich zwei Kurzversionen des Stücks. Die volle Version — die sich in einigen Dingen unterscheidet, gab es erst im Jahr darauf zu hören: da veröffentlichten Simon & Garfunkel ihr Album Bookends.

„Das von Harmonien getriebene Lied des schwülen Vorstadtvergnügens“

Textlich ist der Song ganz auf die Filmfigur Mrs. Robinson zugeschnitten, die eine komplexe Beziehung mit einem jungen Mann eingeht. Oder wie es das Magazin American Songwriter beschreibt: „Der berüchtigte Song Mrs. Robinson von Simon & Garfunkel ist die inoffizielle Hymne einer außerehelichen Affäre. Es ist die inoffizielle Hymne der älteren Frau. Es ist das von Harmonien getriebene Lied des schwülen Vorstadtvergnügens.“

Joe DiMaggio: „Ich bin nirgendwo hingegangen!“

Einer soll übrigens über den Text — genauer gesagt die legendäre Zeile „Where have you gone, Joe DiMaggio“ — nicht begeistert gewesen sein: nämlich die Baseball-Legende Joe DiMaggio selbst. Simon berichtet, ihn in einem Restaurant getroffen zu haben. Das Gespräch sei so verlaufen: „Ich war zufällig in einem Restaurant und da war er. Ich nahm meinen Mut zusammen und ging hin, um mich vorzustellen und zu sagen: ‚Hi, ich bin der Typ, der “Mrs. Robinson” geschrieben hat’, und er sagte: ‚Ja, setzen Sie sich… warum sagen Sie das? Ich bin hier, jeder weiß, dass ich hier bin.æ Ich sagte:‚’So habe ich es nicht gemeint – ich meine, wo sind diese großen Helden jetzt?’ Er war geschmeichelt, als er verstand, dass es schmeichelhaft gemeint war.”

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Popkultur

Zeitsprung: Am 1.6.1975 beginnt Ron Wood seine erste Tour als Gitarrist der Rolling Stones.

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Rolling Stones
Foto: Ronnie, Mick und Keith im Sommer 1975 in Texas. Foto: Fin Costello/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.6.1975.

von Christian Böhm und Christof Leim

Manchmal regelt das Universum die Dinge. So mag es sich zumindest für Ron Wood anfühlen, als er am 1. Juni 1975 die Bühne betritt. Es ist der Beginn der USA-Tour der Rolling Stones zum gerade erschienenen Album It’s Only Rock’n’Roll – und Ron Woods erste Tour als ihr neuer Gitarrist. Sein Einstieg bei der wahrscheinlich größten Rock-Band der Welt stellt sicherlich einen Meilenstein seiner Karriere dar, die bis dato schon beachtlich lief. Und Ron Wood, der davor bei den Birds, der Jeff Beck Band und bei den Faces gespielt hatte, bleibt bis heute Mitglied der Rolling Stones.

Hier könnt ihr euch das damals aktuelle Album It’s Only Rock’n’Roll anhören:

Für einen Kollegen geht mit diesem Anfang natürlich etwas zu Ende – und im Nachhinein sagt Woods Vorgänger bei den Stones, Mick Taylor, dass ihm schon immer irgendwie klar war, dass er in dieser Band nicht ewig spielen würde. Auch für Ron Wood endet gerade etwas, als Mick Jagger anruft und ihm den Job des Tourgitarristen anbietet: Die Faces sind im Begriff, sich aufzulösen, als das Telefon klingelt und für Ron etwas Neues beginnt. Man sagt ja, dass neue Türen sich genau dann öffnen, wenn man die alten schließt.

Touren sind nie langweilig

It’s Only Rock’n’Roll heißt die Tour, und der Titel trifft es wohl ziemlich genau: Vor Beginn fährt die Band Brown Sugar spielend auf einem LKW über die New Yorker 5th Avenue. Ein gelungener Promo-Gag! Nicht ganz so gelungen und auch nicht unbedingt lustig verläuft dann eine Fahrt durch Arkansas. Im Örtchen Fordyce droht die Sause vorzeitig zu enden, als die dortige Polizei die Band stoppt und zumindest einen Teil der nicht gerade wenigen Drogen in ihrem Wagen findet. Ihr Anwalt boxt die Rocker aus der Situation heraus, und so zieht der Tross weiter durch den sogenannten „Bible Belt“, den extrem christlichen Teil der USA. Wem nicht klar ist, wie die Gepflogenheiten in diesem Landstrich so aussehen, dem sei gesagt, das in Arkansas einmal versucht wurde, Rock’n’Roll per Gesetz zu verbieten.

Darüber lacht Keith Richards nicht schlecht in seiner in seiner Autobiografie Life, welche übrigens mit der oben beschriebenen Geschichte beginnt.

Ron (oder auch Ronnie, wie manche ihn nennen) Wood kannte seine neuen Mitstreiter schon vorher: Am Titelsong des Albums It’s Only Rock’n’Roll ist der Gitarrist kompositorisch beteiligt. Jagger und Richards wiederum hatten ihm zuvor bei seinem Soloalbum I’ve Got My Own Album To Do (1974) ausgeholfen. Als er die Platte 1974 schreibt, gehört Ron Wood auch zu den Faces und gibt dort mit Rod Steward ein ähnliches Duo ab wie Mick Jagger mit Keith Richards bei den Stones.

Man kennt sich, man versteht sich

Auf selbiger verstehen Keith und Ron sich fast blind. Schmunzelnd sagt Richards im Interview mit Gitarre & Bass: „Wenn ich mitbekomme, dass er sich irgendwohin bewegt, ziehe ich mich zurück und tauche unter ihm ab. Und wenn er hört, dass ich abhebe, macht er dasselbe. Es ist eben genau wie beim Weben, mit den verschiedenen Fäden – und wir sind die dienstälteste Manufaktur auf Erden. Alt und rostig. Aber hey – es funktioniert.“ Die Chemie zwischen den beiden stimmt also. Seine eigenen Songs aber kann Ronnie bei den Stones eher selten unterbringen. Die meisten Songs kommen dann eben doch von… na, von den beiden anderen eben.

„Ich wäre schon froh, wenn sie meine Stücke überhaupt mal ernsthaft anhören würden, sie könnten ja sagen: „Vergiss es, das Zeugs ist Mist.“ Aber sie könnten meinen Stücken wenigstens eine Chance geben“, sagt Wood dazu. Klingt nicht gerade nach Friede-Freude-Eierkuchen, aber so läuft das Rock’n’Roll-Geschäft ja auch nicht immer. Man sagt, Ron sei nicht immer nur Gitarrist gewesen, sondern musste auch öfter den Streitschlichter geben, wenn die beiden guten Freunde Keith und Mick sich mal wieder in den Haaren hatten.

Nicht ungefährlich

Apropos Rock’n’Roll: Für Präsident Richard Nixon waren die Stones nicht die größte, sondern „die gefährlichste Rock’n’Roll-Band der Welt“, was er dem Anwalt der Band offiziell mitteilen ließ. Ganz ungefährlich lief auch Ron Woods Leben nicht: Mehrmals unterzieht er sich Entziehungskuren, um seiner Alkoholsucht zu entkommen, und auch bezüglich anderer Substanzen galt er nicht als Kind von Traurigkeit. Bis zu acht Pints Guinness (und das sind immerhin über vier Liter Bier!) an einem Tag sollen keine Seltenheit gewesen sein – und obendrauf kamen mehrere Flaschen harter Schnaps. Nüchtern betrachtet war es Ron Wood vielleicht auch deshalb nicht möglich, die Leadgitarre der Band zu übernehmen, obwohl er das eigentlich tun sollte, denn Keith Richards gab seit jeher den Rhythmusgitarristen. Gern nennt man Keith das „Human Riff“, das menschliche Gitarrenriff, aber nun übernimmt er öfter die Leadgitarre. Auf der Bühne bedröhnt waren sie bisweilen beide.

Nochmal zurück zum Anfang der Geschichte: Mick Taylor, der den Platz für Ron Wood im Juni 1975 räumte, hatte die Qualitäten eines Rhythmusgitarristen. Noch weiter zurück findet man den anderen, vielleicht bekannteren Vorgänger Woods: Brian Jones. Auch dieser war bekannt für seinen ausschweifenden Alkohol- und Drogenkonsum. Während man Jones aber 1969 tot im Pool fand, hat Ron Wood seine Eskapaden überlebt.

Ein langer Weg

Vom langen Weg an die Spitze des Rock’n’Roll sang bekanntlich schon eine andere Rock-Größe vom unteren Ende der Welt. Vom Tour-Gitarristen avanciert Ronnie Wood zum festen Bandmitglied. Dann vergehen fast 20 Jahre als angestellter Musiker, bevor er 1993 auch Beteiligter am Unternehmen Rolling Stones wird. Später wird er sagen, dass ihm schon vor dem 1. Juni 1975 irgendwie klar war, dass er letztendlich bei den Stones landen würde. Er musste nur warten, bis das Universum das für ihn regelt.

Zeitsprung: Am 19.7.1989 rebelliert eine Kleinstadt gegen die Rolling Stones.

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Popkultur

„Speaking In Tongues“ wird 40: Die Talking Heads verbrüdern Art-Rock und Schwarzen Soul

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Foto: Paul Natkin/Getty Images

Die Talking Heads sind Ikonen der kunstvollen Popmusik. Ihr größter Erfolg landet vor genau 40 Jahren: Mit Speaking In Tongues gelingt David Byrne und Band der Durchbruch – auch dank Burning Down The House, das man in Europa aber eher wegen Tom Jones kennt.

von Björn Springorum

Die New Yorker Kunstszene der Siebziger ist ein Schmelztiegel radikaler Ideen und freakiger Gestalten. Nur hier kann Andy Warhols Factory entstehen, nur hier fließen Kunst, Pop und Punk so mühelos zusammen. Auch die Talking Heads gehen aus der Kunst-Bubble der Stadt hervor. David Byrne und Chris Frantz besuchen die Rhode Island School Of Design, gehen mit so ziemlich den gegensätzlichsten Ideen in die Bandgründung wie beispielsweise die Ramones. Kunstvoll soll es sein, avantgardistisch, vielschichtig, intelligent. Mit Kommilitonin Tina Weymouth ziehen sie nach New York City, teilen sich ein Loft. Bis dahin also eine ganz normale Studentengeschichte.

Basslernen mit Suzi Quatro

Fast: Weymouth bringt sich nämlich das Bassspielen mit alten Suzi-Quatro-Platten bei, geboren sind auch schon die Talking Heads. Und Apropos die Ramones: Ihren ersten Gig spielen sie ausgerechnet im Vorprogramm der Punk-Rocker aus Queens – am 5. Juni 1975. Danach geht es recht schnell: 1977 landen sie mit Psycho Killer einen riesigen Hit, Ende der Siebziger stecken sie vermehrt mit Frickelguru Brian Eno unter einer Decke. Ihr Ruf als Art-Rock-Band trägt sich in die Welt hinaus, scheinbar mühelos vermengen die Talking Heads Pop, Funk, Rock, Wave oder Afrobeat. Doch die Flamme brennt hell: Vier Alben in vier Jahren zollen ihren Tribut, die Band muss kürzer treten, macht erst mal Pause.

Die Band verfolgt eigene Projekte, trennt sich von Eno (der sich bekanntlich U2 zuwendet) und findet im Sommer 1982 wieder zusammen. Die Akkus sind voll, der Ideenkoffer prall gefüllt. Zwischen Juli 1982 und Februar 1983 entsteht in New York City, Philadelphia und den legendären Compass Point Studios auf den Bahamas Speaking In Tongues – das Album, das ihr kommerzieller Durchbruch werden soll. Denn aller Anerkennung und Reputation zum Trotz: So richtig Kohle gescheffelt wurde mit der anspruchsvollen Musik bisher noch nicht.

Ohne Brian Eno wird es kommerzieller

Nun kann man so etwas natürlich nie planen, doch ohne die Kopflastigkeit ihres Kollaborateurs Eno gelingt ihnen ein leichteres, zugänglicheres Album, das ihre kunstvolle Wave-Sensibilität mit Schwarzem Funk verbrüdert. Slippery People oder Swamp zeigen klare Gospel-Schlagseite, zudem ist da natürlich diese Vielfalt an Effekten, Synthie-Spielereien, seltsamen Arrangements und Sounds. Aber eben nie so viel um einen einfachen Hörgenuss zu schmälern. Ohne es genau zu wissen machen die Talking Heads ihren komplexen Sound offener, eingängiger. Kommerzieller. Die Talking Heads sind 1983 das Mittelstück zwischen Television und Michael Jackson.

Auch der Tiger brennt das Haus nieder

Liegt natürlich auch an Burning Down The House, den sie gleich als Opener auf Speaking In Tongues packen. Ihr einziger Top-Ten-Hit in den USA ist ein unwiderstehlicher Groover, der außerhalb von Nordamerika aber auf legendär wenig Interesse stößt. Da ist das Cover von Tom Jones und den Cardigans aus dem Jahr 1999 deutlich erfolgreicher: Halb Europa heißt die Interpretation in den Top Ten Willkommen.

Für die Band bedeutet der Erfolg finanzielle Sicherheit, eine sehr erfolgreiche Tournee und jede Menge Airplay auf dem neuen Medium MTV. Bis 1988 sollen noch drei weitere Alben folgen, danach löst sich die Band auf. Oder quasi: Bassistin Weymouth erfährt aus der Los Angeles Times vom Ende der Talking Heads. Was bleibt, ist ein riesiger Einfluss auf Bands und Künstler*innen wie Eddie Vedder, Radiohead, St. Vincent, The Weeknd oder Trent Reznor. Und natürlich jede Menge Musik, die zeigt, wie originell Pop eigentlich sein kann. Wenn er von den richtigen Leuten gemacht wird.

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Zum 70. von David Byrne: Die 7 wichtigsten Songs des Talking-Heads-Meinungsmachers

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