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Popkultur

Die musikalische DNA von Fleetwood Mac

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„Fleetwood Mac‘s Rumours: Why the under-30s still love it“, titelte im Jahr 2013 der britische Telegraph. Wer sich ein bisschen auskennt, kannte die Antwort auf diese Frage allerdings schon: Weil auch Menschen unter dreißig Jahren in der Regel zwei Ohren und Herz haben, ihr Klappspaten! Fleetwood Macs Rumours gehört nach wie vor in jede noch so schlecht sortierte Plattensammlung – es ist vielleicht das essentielle Rock-Album des 20. Jahrhunderts. Aber wer waren eigentlich Fleetwood Mac? Eine Antwort auf diese Frage können nur wenige liefern. Einerseits weil es viele es schlicht nicht wissen und nicht wenige Fleetwood Mac für eine einzige Person halten. Andererseits, weil es eben auch nicht sehr einfach ist, diese Frage zu beantworten, ohne gleich die gesamte und sehr verworrene Bandgeschichte wieder zu kauen.


Hört hier in die musikalische DNA von Fleetwood Mac rein:

Für die ganze Playlist klickt auf „Listen“.

Stevie Nicks, Lindsey Buckingham, Mick Fleetwood, John und Christine McVie – lautet so das echte und einzige Line-Up? Oder fehlen da nicht Peter Green, Jeremy Spencer und Danny Kirwan sowie noch ganz andere? Zu allem Überfluss existierten 1974 für eine Weile ganze zwei Bands unter demselben Namen! Dazu kommt, dass die Songwriter-Credits in der Zeit nach Green zunehmend unter allen Beteiligten aufgeteilt wurden. Nicht zuletzt werden die Erinnerungen an insbesondere die Riesenerfolge der mittleren und späten siebziger Jahre für einige der Mitglieder eher schwammig sein. Diverse Beruhigungs- und Aufputschmittel und literweise harter Alkohol taten eben ihr Übrigens…

Sich der musikalischen DNA von Fleetwood Mac zu nähern heißt deshalb auch, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Oder zumindest genau das zu versuchen. Welche Musik hat die Band in ihren jeweiligen Schaffensphasen inspiriert, welche Songs und Bands waren wichtig für ihre Stilwechsel oder einzelne Songs? Welche Mitglieder ließen hier und dort ihr Genie aufblitzen? Das nämlich sind doch die eigentlich wichtigen Fragen.


1. The Yardbirds – For Your Love

Am Anfang war der Blues. Ohne Blues kein Rock‘n’Roll, ohne Blues keine Pop-Musik. Nach wie vor gehört es zu einem der kuriosesten Phänomene der Musikgeschichte, dass Blues im transatlantischen Austausch zwischen der Pop-Wiege USA und Großbritannien auf dem Inselstaat auf fruchtbaren Boden fiel. In den sechziger Jahren entwickelte sich eine einzigartige und erfolgreiche Blues Rock-Szene in England, deren Dreh- und Angelpunkt die Yardbirds waren und die mit Cream einen Welterfolg in die USA exportieren konnten.

Fleetwood Mac nahmen genau dort ihren Anfang. Peter Green verließ John Mayall & the Bluesbreakers, wo er Eric Clapton ersetzt hatte und Mick Fleetwood als Schlagzeuger einschmuggeln konnte, mit dem er schon gemeinsam bei anderen Bands gespielt hatte. Mit an Bord war auch John McVie. Gemeinsam nahm das Trio erste eigene Stücke auf und formierte sich bald unter dem Namen der Rhythmussektion als Fleetwood Mac neu. McVie wollte zuerst bei Mayall bleiben, ließ sich aber nach einer Weile breitschlagen, während Green und Fleetwood zuerst mit Bob Brunning am Bass einen ersten Gig spielten. Ihren Wurzeln in der Blues Rock-Szene zollten sie später mit Cover-Versionen von unter anderem For Your Love von den Yardbirds Tribut.


2. Robert Johnson – Hellhound on My Trail

Schon auf ihrer ersten LP, auf der auch der Gitarrist Jeremy Spencer zu hören war, der sich 1970 aus dem Staub machte und einer Sekte beitrat, verneigte sich die frisch geborene Band vor den Wurzeln des Blues-Sounds. Mit Hellhound on My Trail ist auch eine Komposition des enigmatischen König des Delta Blues enthalten, Robert Johnson. Dessen Werk wurde 1961 neu entdeckt, als eine Compilation-LP sein Schaffen wieder zugänglich machte. Die verknisterten Aufnahmen des vagabundierenden Songwriters haben heute noch eine gespenstische Aura inne.

Die Faszination für die Figur Johnson, der angeblich seine Seele dem Teufel verkaufte, ließ vor allem Peter Green nicht los. 1968 fand er sich für eine Session bei der BBC-Radiosendung Top Gear ein und spielte gleich zwei Johnson-Kompositionen neu ein: den Kind Hearted Woman Blues ebenso wie den Dead Shrimp Blues, dem er ein völlig neues Gewand verpasste. Noch 1998 veröffentlichte er mit der Peter Green Splinter Group das Album The Robert Johnson Songbook mit 16 Stücken des Blues-Pioniers. Nur 29 Stücke (manche von ihnen in unterschiedlichen Versionen) von Johnson sind überhaupt bekannt, für Green lieferten sie offenkundig Stoff für ein ganzes Leben.


3. Elmore James – Madison Blues

Nachdem Danny Kirwan allerdings zur Gruppe gestoßen war und sich als perfekte Ergänzung zu Greens Songwriting-Können erwies, schien das Klangspektrum nun breiter und die Möglichkeiten endlos. Warum dann beim schlichten Blues bleiben? Das dritte Album Then Play On bewies, dass diese Band noch viel mehr konnte – wenn sie denn wollte. Zuvor aber standen sie noch mit einigen der Größten der Szene überhaupt für eine legendäre Jam Session im Studio, und zwar direkt im Herzen des Blues-Heimatlandes, der USA.

Im Januar 1969 siedelten Fleetwood Mac für Aufnahmen im Chess Records-Studio nach Chicago über. Dort spielten sie mit einigen Blues-Meistern zusammen, darunter Willie Dixon, Buddy Guy und Otis Spann. Auf dem Programm standen einige wenige eigene Kompositionen und viel klassische Blues-Stücke, vor allem von Elmore James. Der „König der Slide-Gitarre“ gilt als der vielleicht prägendste Einfluss der frühen Fleetwood Mac und fast wirkt die unter dem Namen Fleetwood Mac in Chicago dokumentierte Werkschau wie ein lauter, elektrifizierender Abschlussgruß an den Mentoren.


4. The Everly Brothers – All I Have to Do Is Dream

Ja, in den frühen Tagen von Fleetwood Mac schien es mit dieser Band ein einziges Kommen und Gehen zu sein! Besonders schön war es aber, wenn andere dazu stießen. Christine Perfect stand erstmals im Mai 1969 mit der Truppe auf der Bühne, nachdem sie ihr Handwerk von klein auf gelernt hatte. Als Teenager kam sie erst mit der Musik von Fats Domino in Kontakt und entdeckte dann die Everly Brothers – ein Wasserscheidenmoment für Perfect, die zuvor vor allem klassische Musik interpretiert hatte.

1969 spielte sie als Pianistin bei der Band Chicken Shack und konnte gemeinsam mit Andy Silvester und Stan Webb auch einen Hit landen, I’d Rather Go Blind, bei dem sie den Gesang übernahm. Doch nach der Hochzeit mit John McVie verließ sie die Band und wechselte zu Fleetwood Mac über, wo sie mit ihren Tastenkünsten und ihrem Verständnis für großartiges Pop-Songwriting schnell ein essentielles Bandmitglied wurde. Die Everly Brothers hatten ihr gezeigt, wie‘s geht!


5. The Rolling Stones – Street Fighting Man

Keine Frage: 1969 war ein wichtiges Jahr für Fleetwood Mac, auch wenn der Band die größten Erfolge noch bevor standen. Für Peter Green ging es tatsächlich aber rapide abwärts. Bei einem Besuch in München entdeckte er LSD für sich, was manche mit seiner Schizophrenie in Verbindung bringen. Rainer Langhans und Uschi Obermaier nahmen ihn dort unter ihre Fittiche, allerdings aus niederen Motiven: Sie erhofften sich so, an die Rolling Stones, genauer gesagt Mick Taylor heranzukommen, die sie für ein Festival in Bayern anheuern wollten. Daraus wurde nichts und 1970 legte Green mit The Green Manalishi seinen letzten Hit für Fleetwood Mac vor.

Dass die Rolling Stones für Fleetwood Mac allerdings noch in anderer – und, wie wir meinen, erfreulicherer – Hinsicht wichtig waren, zeigte sich mit der Veröffentlichung von Rumours. Der synkopierte Drum-Beat von Charlie Watts auf Street Fighting Man wurde zur Vorlage zu einem der ikonischsten Fleetwood Mac-Momente überhaupt: dem Beat von Go Your Own Way. Eben genau weil Mick Fleetwood es partout nicht hinbekam, Watts‘ losen Groove eins zu eins zu übernehmen. „Ich habe nie genau verstanden, was [Lindsey Buckingham] von mir wollte, das Endresultat war meine mutierte Interpretation“, erinnerte er sich selbstkritisch. Nicht die schlechteste, würden wir behaupten!


6. John Lennon – Imagine

Buckingham und Stevie Nicks stießen erst Mitte der siebziger Jahre zur Band, sollten sie aber nach Jahren der Unsicherheit endlich wieder auf den rechten Weg bringen. Fleetwoods Tontechniker Keith Olsen spielte ihm den Track Frozen Love vom Album Buckingham Nicks vor und der Schlagzeuger war auf Anhieb Feuer und Flamme. Sofort fragte er Buckingham an, seiner Band beizutreten. Der allerdings bestand darauf, dass Nicks ihn dabei begleitete. Ganz oder gar nicht!

Der Rest ist Geschichte. Mit Buckingham und Nicks schrieben Fleetwood Mac ihre größten Hits, erlebten aber auch ihre dunkelsten Stunden. Mit Rhiannon vom selbstbetitelten Album aus dem Jahr 1975 bewies Nicks, dass die Entscheidung eine richtige gewesen war. Die Songwriterin brachte Pop-Appeal mit tiefschürfenden Lyrics zusammen, ganz wie eines ihrer Vorbilder – John Lennon. Ihr Solo-Stück Edge of Seventeen entstand kurz nach dessen Tod. „Wir alle hatten panische Angst“, rekapitulierte sie damalige Stimmung. Ihr guter Freund Jimmy Iovine schließlich, selbst Produzent und Labelgründer, war damals mit dem Ex-Beatle eng befreundet.


7. Sex Pistols – Anarchy in the UK

Gemeinsam mit Buckingham und Nicks feierten Fleetwood Mac ihre größten Erfolge, durchlebten aber auch ihre größten Krisen. Wie beim Ehepaar McVie bröckelte die idyllische Fassade, dahinter gab es viel Ärger und nicht wenige aus der Band waren zahlreichen legalen wie illegalen Substanzen zugetan… Immerhin: Die Musik stimmte. Meistens zumindest. Als der Rumours-Nachfolger Tusk erschien, spaltete das sowohl die Fanbase wie auch die Presse. Über eine Million Dollar hatte die Band für die Produktion der Doppel-LP hingeblättert – und dann spielte Mick Fleetwood einige seiner Parts doch auf einer Kleenex-Box ein, während Buckingham seinen Gesang in der Dusche aufnahm!

Der Songwriter setzte alles daran, kein zweites Rumours zu schreiben, wie es das Label gerne gehabt hätte. Zu dieser Zeit interessierte er sich viel eher für die virulente Punk-Szene oder Post-Punk-Bands wie die Talking Heads und deren unkonventionelle Herangehensweise an Musik. Was The Clash und die Sex Pistols in Großbritannien losgetreten hatten, als seine Band mit Rumours die Welt eroberte, hatte ihn nachhaltig beeindruckt. Tusk war also so etwas wie Fleetwood Macs Never Mind the Bollocks – sehr zum Leidwesen ihrer damaligen Plattenfirma…


8. Tom Petty and the Heartbreakers – American Girl

Ja, Buckingham machte es seiner Gruppe nicht immer einfach. 2018 trennten sich ihre Wege nach viel Hin und Her, weil er sich den Tourplänen der anderen Mitglieder querstellte. Ersatz war schnell in Mike Campbell gefunden, der zuvor bei Tom Petty and the Heartbreakers aktiv war. Zwischen dem 2017 verstorbenen Heartland-Rocker Petty und Fleetwood Mac beziehungsweise genauer Nicks gab es schließlich schon immer eine starke Bindung: Die Sängerin galt schon lange als „Ehren-Heartbreaker“!

Kurz nach seinem Tod erinnerte sie sich an den Erstkontakt mit Pettys – und damit auch Campbells – Musik. „Ich war seit etwa einem Jahr bei Fleetwood Mac, als ich 1976 sein Debütalbum hörte“, schrieb sie im Rolling Stone. „Ich liebte es, wie Toms knödelige Südstaatenstimme mit Mike Campbells Gitarre und Benmont Tenchs Keyboards verschmolz. Tom hatte die gleichen Einflüsse wie wir – die Byrds, Neil Young, Crosby, Stills & Nash –, aber er grub zusätzlich noch viel von dem ganz alten Blues aus. Er ist ein großartiger Sänger und ein charismatischer Performer. Ich war auf der Stelle ein Fan.“ Ein echtes American Girl eben, das sich in seinem Sound perfekt wiederfand und eine Freundin auf Lebenszeiten wurde.


9. Sheryl Crow – If It Makes You Happy

Buckingham war nicht der einzige, der sich innerhalb des Bandgefüges nicht immer zurecht fand. Christine McVie stieg je nach Interpretationsweise gleich zwei Mal aus, zumindest zog sie 1998 die Reißleine. Nicht aber endgültig, wie sich viel später herausstellen sollte: 2013 stand sie das erste Mal seit Langem wieder mit Mick Fleetwood und dessen Band auf der Bühne, performte später im selben Jahr mit der vollen Band und konnte im Januar 2014 der Welt verkünden, dass sie wieder an Bord sei. Ein Segen für viele Fans, denen ihr Einsatz bei Fleetwood Mac gefehlt hatte und die keine Hoffnung auf Wiederkehr sahen.

Im Jahr 2008 waren sogar Gerüchte aufgekommen, dass Sheryl Crow die langjährige Band-Keyboarderin ersetzen würde. Oder zumindest sagte Crow dies selbst, denn ihr zufolge hätte ihre Mentorin Nicks sie für die Band engagiert. Die Gruppe aber reagierte verblüfft. „Das hat uns alle etwas überrascht“, sagte Buckingham zögerlich. „Wir haben über die Möglichkeit diskutiert, eine andere Frau auf die Bühne zu holen und Crows Name wurde dabei auch genannt. Wir werden sehen.“ Und wir sahen… Nichts! Noch im selben Jahr dementierte Nicks, dass Crow die Band ergänzen würde. Wie Fleetwood Mac wohl mit ihr geklungen hätten…?


10. Florence + The Machine – Hunger

Die Anekdote von Crows Beinahemitgliedschaft beweist wohl am deutlichsten, wie beliebt Fleetwood Mac nicht nur bei Fans, sondern auch Kolleg*innen waren und immer noch sind. Tatsächlich ist ihr Einfluss auf die heutige Rock- und Pop-Landschaft noch immer nur schwer zu bemessen. Das (zweite) selbstbetitelte Album oder Rumours, ja selbst die späteren Alben – bis heute drücken Fleetwood Mac, egal in welcher Besetzung, der Musikwelt ihren Stempel auf. Von Hole bis Hot Chip und Best Coast, Tame Impala oder Tori Amos, Mumford & Sons und den Fleet Foxes – das Fleetwood Mac-Cover gehört fest ins Repertoire jeder vertrauenswürdigen Indie-Band!

Als Florence Welch im Juli 2018 mit ihrer Band in den SiriusXM Studios vorbeischaute, um ihr neues Album High As Hope mit Songs wie Hunger zu promoten, ließ auch sie sich ein Fleetwood Mac-Cover nicht nehmen: Silver Springs, eine ursprünglich von Nicks zu Rumours-Zeiten geschriebene Komposition, die als B-Seite zu Go Your Own Way veröffentlicht wurde und 1997 als Live-Version vom Album The Dance bekannt wurde. „Ich bin ziemlich in Stevie Nicks vernarrt, von ihrem Stil hin zu ihrer Stimme“, hatte Welch schon Jahre vorher zugegeben. „Ich schaue mir gerne auf YouTube ihre alten Auftritte an, wie sie sich bewegt und alles.“


Header-Bild-Credit: Warner Bros. Records (Billboard, page 86, 25 Jun 1977) [Public domain], via Wikimedia Commons

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Popkultur

Vor 55 Jahren feierten Simon & Garfunkel mit „Mrs. Robinson“ eine Nummer eins

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Simon & Garfunkel HEADER
Foto: Hulton Archive/Getty Images

Am 1. Juni 1968 landeten Simon and Garfunkel mit Mrs. Robinson auf Platz 1 der US-amerikanischen Billboard Hot 100 Charts — und blieben dort drei Wochen lang. Wir werfen einen Blick auf die Entstehung des Songs.

von Markus Brandstetter

Es ist einer der größten Songs der Popgeschichte — und entstand zu einem guten Teil sozusagen aus Verlegenheit. Geschrieben hatte Paul Simon den Song eigens für den 1967 erschienenen Film The Graduate. Ganz einfach war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Mike Nichols nicht — dieser hatte nämlich zwei andere Songvorschläge abgelehnt.

Zähe Soundtrack-Zusammenarbeit

Simon hatte ihm zwei Stücke namens Punky’s Dilemma und Overs vorgespielt, so richtig enthusiastisch stimmen Nichols die Songs allerdings nicht. Der Sänger und Songschreiber hatte noch etwas in der Tasche: einen Entwurf eines Stücks namens Mrs. Roosevelt (so der Arbeitstitel des Stücks, der sich ursprünglich auf die Politaktivisten und Ehefrau des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, Eleanor Roosevelt bezog. Dass der Song dann auf Mrs. Robinson umgetauft wurde, macht Sinn — schließlich heißt so der weibliche Hauptcharakter des Films. Die Geschichten, wie es dazu kam, variieren indes ein wenig.

„Paul hatte an dem Song gearbeitet, der jetzt Mrs. Robinson heißt, aber es gab keinen Namen darin und wir füllten ihn einfach mit irgendeinem dreisilbigen Namen. Und wegen des Charakters in dem Film fingen wir einfach an, den Namen Mrs. Robinson zu verwenden, weil er passte […]“, erinnerte sich Art Garfunkel einmal. Eines Tages saßen wir mit Mike zusammen und sprachen über Ideen für einen weiteren Song. Und ich sagte: Wie wäre es mit Mrs. Robinson? Mike schoss auf die Beine. Ihr habt einen Song, der Mrs. Robinson heißt, und ihr habt ihn mir noch nicht einmal gezeigt? Also erklärten wir ihm den Arbeitstitel und sangen ihn ihm vor. Und dann hat Mike ihn für den Film als ‘Mrs. Robinson’ verewigt.“

Paul Simon: „Ich wusste nicht einmal, was ich spielte“

Paul Simon, der am Anfang von der Auftragsarbeit nicht wirklich begeistert war, erinnert sich folgendermaßen: „Mike Nichols rief an und fragte uns. Er sagte, er habe ein Buch und wolle einen Film mit dem Titel The Graduate drehen… Er überzeugte uns, die Musik zu machen. Die Musik sollte größtenteils Originalmusik sein, aber es kam vor, dass wir, um eine Szene zu füllen, ein Musikstück nahmen und es dort einsetzten, nur um zu hören, wie die Musik klingen würde.“ Die Entstehung des Songs sei sehr spontan und intuitiv gewesen, erzählt er: „Mrs. Robinson wurde an Ort und Stelle erfunden”, fährt er fort. “Ursprünglich sollte das eine Verfolgungsszene sein, und sie wollten Gitarrenmusik. Ich spielte… Ich wusste nicht einmal, was ich spielte, ich riffte einfach auf der Gitarre.” Auf dem Soundtrack des Films finden sich zwei Kurzversionen des Stücks. Die volle Version — die sich in einigen Dingen unterscheidet, gab es erst im Jahr darauf zu hören: da veröffentlichten Simon & Garfunkel ihr Album Bookends.

„Das von Harmonien getriebene Lied des schwülen Vorstadtvergnügens“

Textlich ist der Song ganz auf die Filmfigur Mrs. Robinson zugeschnitten, die eine komplexe Beziehung mit einem jungen Mann eingeht. Oder wie es das Magazin American Songwriter beschreibt: „Der berüchtigte Song Mrs. Robinson von Simon & Garfunkel ist die inoffizielle Hymne einer außerehelichen Affäre. Es ist die inoffizielle Hymne der älteren Frau. Es ist das von Harmonien getriebene Lied des schwülen Vorstadtvergnügens.“

Joe DiMaggio: „Ich bin nirgendwo hingegangen!“

Einer soll übrigens über den Text — genauer gesagt die legendäre Zeile „Where have you gone, Joe DiMaggio“ — nicht begeistert gewesen sein: nämlich die Baseball-Legende Joe DiMaggio selbst. Simon berichtet, ihn in einem Restaurant getroffen zu haben. Das Gespräch sei so verlaufen: „Ich war zufällig in einem Restaurant und da war er. Ich nahm meinen Mut zusammen und ging hin, um mich vorzustellen und zu sagen: ‚Hi, ich bin der Typ, der “Mrs. Robinson” geschrieben hat’, und er sagte: ‚Ja, setzen Sie sich… warum sagen Sie das? Ich bin hier, jeder weiß, dass ich hier bin.æ Ich sagte:‚’So habe ich es nicht gemeint – ich meine, wo sind diese großen Helden jetzt?’ Er war geschmeichelt, als er verstand, dass es schmeichelhaft gemeint war.”

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Popkultur

Zeitsprung: Am 1.6.1975 beginnt Ron Wood seine erste Tour als Gitarrist der Rolling Stones.

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Rolling Stones
Foto: Ronnie, Mick und Keith im Sommer 1975 in Texas. Foto: Fin Costello/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.6.1975.

von Christian Böhm und Christof Leim

Manchmal regelt das Universum die Dinge. So mag es sich zumindest für Ron Wood anfühlen, als er am 1. Juni 1975 die Bühne betritt. Es ist der Beginn der USA-Tour der Rolling Stones zum gerade erschienenen Album It’s Only Rock’n’Roll – und Ron Woods erste Tour als ihr neuer Gitarrist. Sein Einstieg bei der wahrscheinlich größten Rock-Band der Welt stellt sicherlich einen Meilenstein seiner Karriere dar, die bis dato schon beachtlich lief. Und Ron Wood, der davor bei den Birds, der Jeff Beck Band und bei den Faces gespielt hatte, bleibt bis heute Mitglied der Rolling Stones.

Hier könnt ihr euch das damals aktuelle Album It’s Only Rock’n’Roll anhören:

Für einen Kollegen geht mit diesem Anfang natürlich etwas zu Ende – und im Nachhinein sagt Woods Vorgänger bei den Stones, Mick Taylor, dass ihm schon immer irgendwie klar war, dass er in dieser Band nicht ewig spielen würde. Auch für Ron Wood endet gerade etwas, als Mick Jagger anruft und ihm den Job des Tourgitarristen anbietet: Die Faces sind im Begriff, sich aufzulösen, als das Telefon klingelt und für Ron etwas Neues beginnt. Man sagt ja, dass neue Türen sich genau dann öffnen, wenn man die alten schließt.

Touren sind nie langweilig

It’s Only Rock’n’Roll heißt die Tour, und der Titel trifft es wohl ziemlich genau: Vor Beginn fährt die Band Brown Sugar spielend auf einem LKW über die New Yorker 5th Avenue. Ein gelungener Promo-Gag! Nicht ganz so gelungen und auch nicht unbedingt lustig verläuft dann eine Fahrt durch Arkansas. Im Örtchen Fordyce droht die Sause vorzeitig zu enden, als die dortige Polizei die Band stoppt und zumindest einen Teil der nicht gerade wenigen Drogen in ihrem Wagen findet. Ihr Anwalt boxt die Rocker aus der Situation heraus, und so zieht der Tross weiter durch den sogenannten „Bible Belt“, den extrem christlichen Teil der USA. Wem nicht klar ist, wie die Gepflogenheiten in diesem Landstrich so aussehen, dem sei gesagt, das in Arkansas einmal versucht wurde, Rock’n’Roll per Gesetz zu verbieten.

Darüber lacht Keith Richards nicht schlecht in seiner in seiner Autobiografie Life, welche übrigens mit der oben beschriebenen Geschichte beginnt.

Ron (oder auch Ronnie, wie manche ihn nennen) Wood kannte seine neuen Mitstreiter schon vorher: Am Titelsong des Albums It’s Only Rock’n’Roll ist der Gitarrist kompositorisch beteiligt. Jagger und Richards wiederum hatten ihm zuvor bei seinem Soloalbum I’ve Got My Own Album To Do (1974) ausgeholfen. Als er die Platte 1974 schreibt, gehört Ron Wood auch zu den Faces und gibt dort mit Rod Steward ein ähnliches Duo ab wie Mick Jagger mit Keith Richards bei den Stones.

Man kennt sich, man versteht sich

Auf selbiger verstehen Keith und Ron sich fast blind. Schmunzelnd sagt Richards im Interview mit Gitarre & Bass: „Wenn ich mitbekomme, dass er sich irgendwohin bewegt, ziehe ich mich zurück und tauche unter ihm ab. Und wenn er hört, dass ich abhebe, macht er dasselbe. Es ist eben genau wie beim Weben, mit den verschiedenen Fäden – und wir sind die dienstälteste Manufaktur auf Erden. Alt und rostig. Aber hey – es funktioniert.“ Die Chemie zwischen den beiden stimmt also. Seine eigenen Songs aber kann Ronnie bei den Stones eher selten unterbringen. Die meisten Songs kommen dann eben doch von… na, von den beiden anderen eben.

„Ich wäre schon froh, wenn sie meine Stücke überhaupt mal ernsthaft anhören würden, sie könnten ja sagen: „Vergiss es, das Zeugs ist Mist.“ Aber sie könnten meinen Stücken wenigstens eine Chance geben“, sagt Wood dazu. Klingt nicht gerade nach Friede-Freude-Eierkuchen, aber so läuft das Rock’n’Roll-Geschäft ja auch nicht immer. Man sagt, Ron sei nicht immer nur Gitarrist gewesen, sondern musste auch öfter den Streitschlichter geben, wenn die beiden guten Freunde Keith und Mick sich mal wieder in den Haaren hatten.

Nicht ungefährlich

Apropos Rock’n’Roll: Für Präsident Richard Nixon waren die Stones nicht die größte, sondern „die gefährlichste Rock’n’Roll-Band der Welt“, was er dem Anwalt der Band offiziell mitteilen ließ. Ganz ungefährlich lief auch Ron Woods Leben nicht: Mehrmals unterzieht er sich Entziehungskuren, um seiner Alkoholsucht zu entkommen, und auch bezüglich anderer Substanzen galt er nicht als Kind von Traurigkeit. Bis zu acht Pints Guinness (und das sind immerhin über vier Liter Bier!) an einem Tag sollen keine Seltenheit gewesen sein – und obendrauf kamen mehrere Flaschen harter Schnaps. Nüchtern betrachtet war es Ron Wood vielleicht auch deshalb nicht möglich, die Leadgitarre der Band zu übernehmen, obwohl er das eigentlich tun sollte, denn Keith Richards gab seit jeher den Rhythmusgitarristen. Gern nennt man Keith das „Human Riff“, das menschliche Gitarrenriff, aber nun übernimmt er öfter die Leadgitarre. Auf der Bühne bedröhnt waren sie bisweilen beide.

Nochmal zurück zum Anfang der Geschichte: Mick Taylor, der den Platz für Ron Wood im Juni 1975 räumte, hatte die Qualitäten eines Rhythmusgitarristen. Noch weiter zurück findet man den anderen, vielleicht bekannteren Vorgänger Woods: Brian Jones. Auch dieser war bekannt für seinen ausschweifenden Alkohol- und Drogenkonsum. Während man Jones aber 1969 tot im Pool fand, hat Ron Wood seine Eskapaden überlebt.

Ein langer Weg

Vom langen Weg an die Spitze des Rock’n’Roll sang bekanntlich schon eine andere Rock-Größe vom unteren Ende der Welt. Vom Tour-Gitarristen avanciert Ronnie Wood zum festen Bandmitglied. Dann vergehen fast 20 Jahre als angestellter Musiker, bevor er 1993 auch Beteiligter am Unternehmen Rolling Stones wird. Später wird er sagen, dass ihm schon vor dem 1. Juni 1975 irgendwie klar war, dass er letztendlich bei den Stones landen würde. Er musste nur warten, bis das Universum das für ihn regelt.

Zeitsprung: Am 19.7.1989 rebelliert eine Kleinstadt gegen die Rolling Stones.

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Popkultur

„Speaking In Tongues“ wird 40: Die Talking Heads verbrüdern Art-Rock und Schwarzen Soul

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Foto: Paul Natkin/Getty Images

Die Talking Heads sind Ikonen der kunstvollen Popmusik. Ihr größter Erfolg landet vor genau 40 Jahren: Mit Speaking In Tongues gelingt David Byrne und Band der Durchbruch – auch dank Burning Down The House, das man in Europa aber eher wegen Tom Jones kennt.

von Björn Springorum

Die New Yorker Kunstszene der Siebziger ist ein Schmelztiegel radikaler Ideen und freakiger Gestalten. Nur hier kann Andy Warhols Factory entstehen, nur hier fließen Kunst, Pop und Punk so mühelos zusammen. Auch die Talking Heads gehen aus der Kunst-Bubble der Stadt hervor. David Byrne und Chris Frantz besuchen die Rhode Island School Of Design, gehen mit so ziemlich den gegensätzlichsten Ideen in die Bandgründung wie beispielsweise die Ramones. Kunstvoll soll es sein, avantgardistisch, vielschichtig, intelligent. Mit Kommilitonin Tina Weymouth ziehen sie nach New York City, teilen sich ein Loft. Bis dahin also eine ganz normale Studentengeschichte.

Basslernen mit Suzi Quatro

Fast: Weymouth bringt sich nämlich das Bassspielen mit alten Suzi-Quatro-Platten bei, geboren sind auch schon die Talking Heads. Und Apropos die Ramones: Ihren ersten Gig spielen sie ausgerechnet im Vorprogramm der Punk-Rocker aus Queens – am 5. Juni 1975. Danach geht es recht schnell: 1977 landen sie mit Psycho Killer einen riesigen Hit, Ende der Siebziger stecken sie vermehrt mit Frickelguru Brian Eno unter einer Decke. Ihr Ruf als Art-Rock-Band trägt sich in die Welt hinaus, scheinbar mühelos vermengen die Talking Heads Pop, Funk, Rock, Wave oder Afrobeat. Doch die Flamme brennt hell: Vier Alben in vier Jahren zollen ihren Tribut, die Band muss kürzer treten, macht erst mal Pause.

Die Band verfolgt eigene Projekte, trennt sich von Eno (der sich bekanntlich U2 zuwendet) und findet im Sommer 1982 wieder zusammen. Die Akkus sind voll, der Ideenkoffer prall gefüllt. Zwischen Juli 1982 und Februar 1983 entsteht in New York City, Philadelphia und den legendären Compass Point Studios auf den Bahamas Speaking In Tongues – das Album, das ihr kommerzieller Durchbruch werden soll. Denn aller Anerkennung und Reputation zum Trotz: So richtig Kohle gescheffelt wurde mit der anspruchsvollen Musik bisher noch nicht.

Ohne Brian Eno wird es kommerzieller

Nun kann man so etwas natürlich nie planen, doch ohne die Kopflastigkeit ihres Kollaborateurs Eno gelingt ihnen ein leichteres, zugänglicheres Album, das ihre kunstvolle Wave-Sensibilität mit Schwarzem Funk verbrüdert. Slippery People oder Swamp zeigen klare Gospel-Schlagseite, zudem ist da natürlich diese Vielfalt an Effekten, Synthie-Spielereien, seltsamen Arrangements und Sounds. Aber eben nie so viel um einen einfachen Hörgenuss zu schmälern. Ohne es genau zu wissen machen die Talking Heads ihren komplexen Sound offener, eingängiger. Kommerzieller. Die Talking Heads sind 1983 das Mittelstück zwischen Television und Michael Jackson.

Auch der Tiger brennt das Haus nieder

Liegt natürlich auch an Burning Down The House, den sie gleich als Opener auf Speaking In Tongues packen. Ihr einziger Top-Ten-Hit in den USA ist ein unwiderstehlicher Groover, der außerhalb von Nordamerika aber auf legendär wenig Interesse stößt. Da ist das Cover von Tom Jones und den Cardigans aus dem Jahr 1999 deutlich erfolgreicher: Halb Europa heißt die Interpretation in den Top Ten Willkommen.

Für die Band bedeutet der Erfolg finanzielle Sicherheit, eine sehr erfolgreiche Tournee und jede Menge Airplay auf dem neuen Medium MTV. Bis 1988 sollen noch drei weitere Alben folgen, danach löst sich die Band auf. Oder quasi: Bassistin Weymouth erfährt aus der Los Angeles Times vom Ende der Talking Heads. Was bleibt, ist ein riesiger Einfluss auf Bands und Künstler*innen wie Eddie Vedder, Radiohead, St. Vincent, The Weeknd oder Trent Reznor. Und natürlich jede Menge Musik, die zeigt, wie originell Pop eigentlich sein kann. Wenn er von den richtigen Leuten gemacht wird.

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Zum 70. von David Byrne: Die 7 wichtigsten Songs des Talking-Heads-Meinungsmachers

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