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Popkultur

Der Moment, als Jethro Tull Elvis einen Korb gaben

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Wenn der King ruft, dann kommen sie alle. Könnte man zumindest meinen. Für eine gewisse Band namens Jethro Tull schien das an einem ganz bestimmten Tag nicht zu gelten. Chronologie einer unglaublichen Anekdote.

von Björn Springorum

Das Jahr 1969 ist als ein ganz besonderes in die Musikgeschichte eingegangen. Auch heute, exakt 50 Jahre später, hat es nichts von seiner Magie verloren. Led Zeppelin veröffentlichen ihr Debüt, die Beatles spielen ihr letztes Konzert auf dem Dach von Apple, Johnny Cash rockt im San-Quentin-Gefängnis, The Who führen erstmals Tommy auf, Woodstock vereint eine ganze Generation…


Hört hier in die vermutlich einzige Band rein, die Elvis Presley einen Korb gab:

Für die ganze Playlist klickt auf „Listen“.


Inmitten dieser Zeit, zwischen Friedensmärschen und Hippie-Kultur, feiert Elvis Presley sein Comeback. Der King war jahrelang nicht live aufgetreten, seine letzten Singles waren weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dann kam In The Ghetto – und urplötzlich war er wieder in aller Munde. Höhepunkt seines Comebacks war eine vierwöchige Residency im International Hotel (heute Westgate) in Las Vegas ab dem 31. Juli 1969.

Bei einem dieser Konzerte (die Legende besagt, es war der 11. August 1969), befanden sich auch Ian Anderson und der Rest der Jethro-Tull-Bande im Publikum. Die Briten waren ebenfalls in Sin City zu Gast, um ihr sehr erfolgreiches zweites Album Stand Up vorzustellen, und hatten eigentlich gar keine Lust drauf, der Wiedergeburt des King beizuwohnen. Damit standen sie natürlich allein auf weiter Flur: Vor und nach den Konzerten ergoss sich ein regelrechter Strom andächtiger Bewunderer in und aus Elvis Presleys Garderobe. Denn auch 1969 galt: Wenn du eine Audienz beim King erhältst, dann gehst du verdammt noch mal hin!



Die Memphis Mafia

Für einen wie Ian Anderson gilt so etwas nicht. „Wir wurden am Kragen gepackt und in irgendein Casino gezogen, in dem er auftreten sollte“, erinnert sich Anderson im britischen Magazin Prog. Nach Eigenaussagen nie der allergrößte Elvis-Fan, erinnert sich der Musiker vor allem an eine ziemlich enttäuschende Performance. „Ich war entsetzt über die Kommerzialisierung und Abgedroschenheit der ganzen Show“, so Anderson. „Er stand total neben sich. Seine Sprache klang verwaschen, er wusste nicht, wo er war, stoppte die Band mitten in einem Song. So sollte man Elvis einfach nicht sehen!“



Doch es kam noch schlimmer: Es war sogar bis zu Elvis vorgedrungen, dass an diesem Abend diese aufregende neue Band aus England mit den seltsamen Haaren und der Flöte im Publikum war, also wollte er sie treffen. So zumindest lautete die Nachricht, die Anderson von der Memphis Mafia (der vielsagende Name für Elvis’ Entourage) erhielt: „Sie sagten, dass uns Elvis in seiner Umkleide treffen wolle, woraufhin ich erwiderte, dass es eine große Ehre war, heute Abend hier gewesen zu sein, wir aber morgen eine Show hätten, ziemlich müde waren und früh zu Bett gehen wollten. Daraufhin meinten sie: ‘Du hast nicht zugehört: Elvis wird euch backstage in seiner Umkleide empfangen!’ Ich dachte mir nur: ‘Das ist keine Einladung, das ist ein verdammter Befehl!’“

Und wenn der flötende, subversive Kranich Anderson eines noch nie mochte, dann Befehle. Zum großen Schock einiger Bandmitglieder ließ er sich nicht erweichen, diesem Befehl der Memphis Mafia Folge zu leisten. „Ich schämte mich so für ihn und wollte die Sache nicht noch schlimmer machen“, fährt er fort. „Zudem hatte Elvis ganz bestimmt keine Ahnung davon, wer wir waren – ganz gleich, was diese Typen sagten.“ Nun, Elvis Presley mag der King gewesen sein oder noch immer sein. Ian Anderson ist aber nun mal der Kranich. Und der lässt sich von niemandem etwas vormachen.


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