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Am Ende allen Wartens – Das Drama um Def Leppard’s Adrenalize

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Sich in Geduld üben – die frühen Def Leppard Fans sollten das zu Genüge kennen. Ebenso wie Ankündigungen und Pressemeldungen, die mit der Präambel „lange erwartet“ eingeleitet werden. Aber was sonst eher als schnarchiger Aufschlag für die Ankündigung des x-ten Uriah Heep Albums verwendet wird, hat bei Def Leppard doch relativ handfeste Gründe. Hysteria, der heiß umjubelte (no pun intended) große Durchbruch von Def Leppard, war die erste amtliche Geduldsprobe, als Drummer Rick Allen bei einem schweren Unfall seinen linken Arm verlor. Und so ein Zwischenfall ist, folgt man ein paar halbwegs offensichtlichen, logischen Schlüssen, für einen Schlagzeuger nicht direkt karrierefördernd. Aber so richtige Britische Dampfwalzen halten zusammen – Allen blieb in der Band und lernte, mit nur einem Arm zu trommeln. Hut ab! Trotzdem verlagerte sich das Release nach hinten. Beim nächsten Album sollte dann alles anders werden, versprach Sänger Joe Elliott. Schließlich hatte man schon erste Ideen auf Lager. Das war ’88, zum Ende der Hysteria Tour. Dennoch – bis zur Veröffentlichung von Adrenalize am 31. März 1992 dauerte es noch knapp vier Jahre. Was war geschehen? Spulen wir das Tonband mal ein Vierteljahrhundert zurück…


Schaut euch hier das Video zu Def Leppards Song Make Love Like A Man aus dem Album Adrenalize an und lest weiter:


Selbstverständlich wurden nach dem großen Hysteria Erfolg wieder die ersten Besserwisser laut, die Band hätte sich kommerzialisiert, alles sei glattgebügelt und überhaupt gar nicht mehr so dirty Rockstar-mäßig, wie man das sonst von den fünf Herzbuben mit den güldenen Locken kannte. Als liberaler Plattensammler winkt man dann gern vorschnell mit einer „Das übliche Gerede“-Geste ab, erwischt sich dann aber trotzdem dabei, dem nächsten Album mit leicht gemischten Gefühlen entgegenzufiebern. Und während man grade eifrig dabei ist, das neue Def Leppard Poster aus der BRAVO zu knibbeln, segelt die Unglücksnachricht ins Haus: Steve Clark ist tot. Der wilde Gitarrenheld und Connoisseur der hiesigen Damenwelt litt schon seit Langem unter seiner Drogensucht und starb im Januar ’91 an einer Überdosis. Wieder ein Schicksalsschlag für die Briten. Wieder das Bangen und Warten unter den Fans. Wird das neue Album kommen? Und wenn ja, wie hört sich die ganze Kiste dann an – jetzt, wo doch mit Steve „Steamin’“ Clark einer der hauptamtlichen Songwriter fehlt? Mangelhaft in Sachen Inspiration und Tempo? Und was ist mit dem ganzen Geblubber über den glattgebügelten Sound und die Kommerzialisierung? Falscher Alarm, Fehlanzeige, nichts, nada, niente! Nennt es, wie ihr wollt.


Zwar wird Steamin’ nie wieder seinen langen Schatten mit der tief hängenden Gibson LesPaul über die Bühne werfen, sein Songwriting jedoch ist bis in alle Ewigkeit auf Adrenalize eingraviert. Das bedeutet im Einzelnen: Die Band ist so zwanglos, so gradeaus und so verflucht laut, wie wir es nicht anders kennen. Und das trotz der langen Zeit, die die Jungs im Studio verbracht haben und damit Gefahr liefen, ihren Sound mächtig zu überladen und schlicht kaputt zu produzieren. Klar, die Band nimmt nicht mehr im Keller von Mama und Papa auf und die Produktionskosten von Adrenalize werden die legendären 148,50 Britischen Pfund (das haben die Jungs damals nämlich in die erste Auflage ihres Debüts gesteckt) auch ein bisschen überstiegen haben. Im Studio standen also tatsächlich ein paar mehr Mikros rum und der Mann am Mischpult wusste auch wirklich, wozu all diese bunten Knöpfchen da sind. In anderen Worten: Adrenalize hat einen vollen, differenzierten Sound, der das gesamte Pensum der wilden Briten aussteuern kann – wie auch schon Hysteria.


In gradliniger Def Leppard Manier sucht man vergebens nach dem übergreifenden Konzept oder der kreativen Verarbeitung der großen Probleme dieser Welt. Nein, die Hard Rocker standen schon immer für energiegeladene Hooks, ballernde Drums und – um es in den philosophischen Worten von Motley Crüe zu sagen – Girls, Girls, Girls! Dieses ehrenvolle Versprechen halten sie auch auf diesem guten Stück Rock-Geschichte. Und dann haben diese Sahneschnitten auch noch Lovesongs auf dem Kasten! Ganz nach dem Leitmotiv „die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt“ massiert sich Joe Elliott bei Have You Ever Needed Someone So Bad mit verführerisch weicher Stimme ganz sanft (und tief) ins Trommelfell, während sich langsam die Melodien hochschaukeln und eingehen, als seien sie eingeölt. Da hört am Ende niemand mehr auf den Text – die Musik sagt schon alles.


Oder – um der Schmalz-Ecke einen Gegenpol zu geben – das musikalische Suchbild Let’s Get Rocked, das so mit symphonischen Details vollgeladen ist, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinhören soll! Die Shuffle-Drums (und das mit nur einem Arm, der Junge hat’s echt drauf!), die mördermäßige Bass-Spur oder der Schnipsel aus Beethovens Fünfter Symphonie, der – ohne den Fluss des Songs zu brechen – auch noch Platz im Arrangement gefunden hat? Die Briten werden ihren trockenen Humor wohl nie los.


Egal. Fakt ist, an Hooks und guter Laune mangelt es Adrenalize an absolut keiner Stelle. Gleichzeitig beweist das Songwriting, neben pumpender Power, eine – ja man möchte fast sagen – gewisse Reife! Und gibt damit ein ganz klares Zeichen, dass sich Def Leppard immer nach vorne entwickelt haben. Ohne dabei weder Mut noch Humor zu verlieren!

Hier ist das Album als CD oder Vinyl erhältlich!


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